Samstag, 24. November 2012

25. fortsetzung "nirgendwo"


das erste was ich sah, waren die oberleitungen der strassenbahn, über die ich weit oben dahinflog. ich stürzte volle lust in die tiefe und jauchzte, als ich nahe der drähte die richtung bestimmte und ihnen folgte. es fuhr sogar eine nachtbahn nach dem wald. die bahn verbarg sich am ende der fahrt zwischen den wällen und bog in die schleife. sie kehrte um. ich zog mir die decke über den kopf und versuchte wieder in die luft zu kommen. aber ich konnte gerade  vermeiden den boden zu berühren, so war mir das treten bald zu blöd und ich nahm platz. lag es an der bettdecke oder war ich zu unentschieden. hier in der kammer, sie hatten mich nicht gehen lassen und ich hatte ihnen nichts von meinen gesichten mitgeteilt, hier in der kammer, sie meinten wohl mich behüten zu müssen, hier in der kammer stand eine blume am fenster. ich streichelte sie und ein blatt fiel aus der blüte zu boden. ich dachte schon, ich hätte mich in den finger gestochen. aber es funkelte. das blinken war bestimmt von weitem zu sehen, so hell schien es in der kammer, die mit ihrem dach, wie ein kleines zwergenhaus aus dem dach herausragte. ich war mir nicht mehr sicher, dass ich es bald schaffte, die zwänge zu beenden, die mich hinderten. ich war aber aufgefordert. immer wieder taten sich risse auf, durch die etwas helles, funkelndes hineinwuchs, so als würde der himmel heranwachsen. alle sterne ziehen mich an. bin ich denn eine dumme motte, die gegen die lampe stößt und krach macht. nein, auf keinen fall. so wohl mir auch ist, und der buchhalter und seine frau meinten es wirklich gut mit mir, ich lag kaum in den weichen federn, da ratterte der zug schon herein, die pferde wiehern und schlagen die hufe. ich öffne die stallungen, der zug fällt vom gleis, aus der ritterburg fliegt der rabe heran und landet auf meinem rücken. ich spüre seine krallen durch das dünne hemd. komm mit. und wenn die kammer morgen leer wäre. er wird es verstehen. wo war ich gescheitert, was musste ich tuen um wieder an die endstation zu kommen, in den nahen wald. ich stellte mich ans offene fenster. wieder fiel ein blatt. diesmal wehte es von draussen herein. dann peitschte eine böe einen nahen zweig gegen den fensterflügel. das glas hielt stand, aber das fenster schlug zu. ich stellte den sturmhaken fest. die flügel schepperten. unter mir lag ein schwarzer garten, ganz dunkel dort und still, und auch hier oben über dem dach begann das schweigen. bedächtiges kopfnicken beim wetterhahn. ein hand voll goldstücke. ein paar zähne erschreckten mich. das war alles, in der schublade. nun war ich zu schwer zum fliegen. also lies ich das gold beim gebiss und stellte mich wieder auf. da hob sich der stoff meines hemdchen, ohne das ein wind ging und zog sich über meinen kopf. das kam mir bekannt vor, nur das ich diesmal in der klemme steckte. der rabe hatte einen kräftigen schnabel. und bald waren da noch ein paar rabenvögel, die an mir zupften, jedenfalls hatten sie mich frei und so stand ich nackt. erst spürte ich mich noch durch die kühle, dann verlor ich mich und musste mich suchen. ich stand immer noch an gleicher stelle, aber zugleich lief ich durchs zimmer, sah nach, ob noch mehr vögel sich versteckt hielten. ja, viele, und zu meiner ueberrachung nicht nur raben. da waren ganz bunte darunter. und junge, gerade flügge gewordene. nur der nackte knabe am fenster wollte nicht davonfliegen. er stand dort noch, als die mutter hereinkam und ihn wieder ins bett brachte.

Dienstag, 20. November 2012

24. fortsetzung "nirgendwo"


nachdem die eingangstür des cafe rübenacker den schwall unterbrach, weil sie schließlich schloß, war ruhe. ich versuchte mich umzuschauen. es war früher abend und nebel hatte alles verschluckt. ein paar helle kugeln, die im nebel steckengeblieben waren strahlten, gaben vor, das es dort wahrscheinlich eine strasse gab. es war ein feldweg, erkannte ich, als ich auf den boden sah. am offenen feld war ich schon vorbei, als die andeutung eines hauses in den blick kam, der 
das haus folgte und bald ein nächstes. felder schafften wieder ein lücke. da es zu keiner häufung von häusern mehr kam, glaubte ich, bald im unbewohnten zu verschwinden. da ging ein fenster auf und jemand schien etwas hinauszuschütten. ich stand wohl gerade unter einer lampe, denn ich wurde erkannt und gerufen. "jungchen, woher kommst du denn, willst du zu mir, na warte, ich schließ dir auf." mein gott, zufall, der buchhalter war es, hier weit draussen in der einöde und ausgerechnet, als ich unter die lampe trete, geht das fenster auf. er war schon bei mir, hielt die pfanne in der hand, die er eben aus dem fenster gekippt hatte. "na ja. kann passieren. sollte nicht, aber kann." irgendetwas schien ihm angebrannt zu sein, so wie es roch. "die schönen nüsse." er bat mich hinein und öffnete die tür zum wohnzimmer. "geh schon mal vor, bringe nur die pfanne in die küche." ich zögerte ein wenig beim hineingehen. ich schob die tür um die angel und schaute in die stube. gleich sah ich, das im sessel eine frau saß, die sich mir zuwandte und freundlich bat, doch platz zu nehmen. ich versank im sofa und rückte an den rand, wo ich mehr halt spürte. "nicht so unbequem, mein junge", hörte ich den buchhalter als er hereinkam. "kannst ruhig bequem sitzen." ich gab auf und lehnte mich zurück. "sind leider angebrannt", sagte er zu seiner frau, die tadelnd den kopf schüttelte, aber gleichzeitig schmunzelte. da er mich nicht ausfragte, redete ich von selbst, das ich im cafe war, und nicht gewusst hätte, und in den wald wolle, des friedens wegen. "so, so, in den wald." er sah mich prüfend an, "nachts also in den wald. da geht unsereiner nicht hinein, nachts. nun also, wollen wir erst mal sehen, was da auf dem tisch steht." er meinte wohl den kuchen, der im gelände der kaffeetassen herausragte und gepudert bereitstand. "dann wollen wir mal." er wies mir einen platz am tisch zu und setzte sich. seine frau hatte sich erhoben und kam, bevor sie sich setzte, den kaffee einzugiessen und den kuchen zu verteilen. da war der tisch nicht mehr da. der ganze raum war geräumt und stattdessen stand dort ein grosser kasten mit einer abdeckung, einer verglasten haube, hinter der ein kopf aus dem grund ragte und entsetzliches geschah. erst als ich nach dem körper suchte, begriff ich, das es den schon nicht mehr gab. er war weggefräst, ohne das blut floss. die vorrichtung dazu, war nicht zu durchschauen und blieb verborgen. nur der kopf war geblieben und lebte, schaute mich an. ich blickte in die augen, die traurig mit der gewissheit zu verschwinden, mich anflehten. "ich werde jetzt das letzte mal zu dir sprechen" sagte sie vor ihrem verschwinden, das unaufhaltbar war. es war ja nur noch der kopf als zeuge vorhanden und bevor er erneut sprechen konnte, löste er sich zeile um zeile zu spänen, die sich auf den boden sammelten. der mund  war nun weg. bestürzt sah ich wieder die augen. nur noch die augen. "wohl nichts gegessen" hörte ich leise. sie beugten sich über mich. ich kam zu mir und der buchhalter half mir hoch, hielt den stuhl, auf den er mich setzte, an der lehne fest, als sie mich etwas kaffee nippen lies.     

Mittwoch, 14. November 2012

23. fortsetzung "nirgendwo"


"geh nicht über'n rübenacker" hatten sie noch hinterhergerufen, die lachende bande. ich knallte die tür zu und schrie: "arschlöcher". da ging die tür wieder auf. er hatte das glas in der hand und ich stand noch auf der stufe. seine nasse stirn neigte sich unweigerlich zu mir hin und stiess mir eine sanfte kopfnuss. "du sollst nicht auf den rübenacker", er lachte und prustete mir ins gesicht. er konnte sich kaum einkriegen, "du sollst nicht auf den rübenacker" sang er jetzt ein paar mal, ohne einen refrain zu finden. "weil...", unterbrach er sich, "weil dort die rüben wachsen. verstehst du? die rüben wachsen dir in den arsch, sind so heimtückisch und wachsen dir nachts in den arsch, hat sie gesagt!" und er zeigte dabei zurück ins cafe. "sie hat gesagt, du wirst schon sehen, was du davon hast. du solltest lieber hier bleiben und mit deiner rübe spielen, aber wenn du schon rauswillst in den wald, sagt sie...". die tür schepperte, weil drinnen jemand sie in die falsche richtung drückte, statt sie zu öffnen. "geschafft", sie steht im rahmen und ihre oberweite scheint noch üppiger als vorher, "verflixte tür". sie schubst den kerl zur seite und hängt sich an mich. "komm, sei nicht so, was macht den das rübchen, bist du mein kleiner rübenacker?, rübenkacker, war einmal auf dem rübenacker, da sass ein fetter rübenkacker, der vögelt dich von hinten und malt es dann mit tinten. die rübe ..., sag mal, was soll das denn?" sie tritt den fetten sack in den hintern. "pinkle woanders! ich will den süssen überreden und du alte sau...". sie klotzt mich an wie eine mondlaterne, sehr erleuchtet, besonders die nase. liegt daran, das ich sie beinahe im auge habe. sie drückt mir einen schmatzer irgendwo zwischen ohr und mund. dann fummelt sie sich eine zigarette aus der tasche, klackt mit dem feuerzeug und atmet ernüchtert eine wolke ein. "ich seh schon", sagt sie melancholisch, "du hast was besseres vor, ist dir wohl zu laut hier, bist ja ganz bleich, mein süsser" und kneift mir in die backe, bläst mir die wolke ins gesicht und lässt mich stehen.



Donnerstag, 8. November 2012

22. fortsetzung "nirgendwo"


nachts aus dem cafe in den wald gelaufen. ich habe mich ins laub gelegt. da plötzlich eine galoppade. hirsche. vom hügel sieht man das brennende haus. das gelächter hat die gardinen angezündet. sprengstoff zerfetzt die fassade. oberst und unterst klauten das geld. mann und weib krochen in die kleider zurück. die hirsche machten kehrt. der boden bebt nicht mehr. wo war nur die schöne liebe geblieben. verabredungen, meine güte, waren das momente. die kältesten hände gewärmt. zitternd im nebel gestanden. liebesglut. in die augen geschaut. grosse augäpfel gesehen. so glänzend und strahlend. und jetzt trübe aussichten. bleibe die nacht im wald und sehe mir die sache morgen bei licht an. ich krieche unter den mantel und rieche pflanzen und erde. die erde fühlt sich fett an. ich zerreibe sie zwischen den fingern. das mondlicht fällt auf den blauschwarzen käfer. er trägt seine hörner übers moos und kribbelt. er nimmt mich nicht wahr. ich bin ihm zu groß.