Samstag, 28. Dezember 2013

82. fortsetzung "nirgendwo"


"wenn es so endet, daß alle tinte in den stoff läuft, was soll ich dann noch ins buch bekommen", sprach ich zwischen die seiten, während sie mir durch die finger glitten. "sie haben nichts geschrieben", sagte die frau im pelz und streichelte meine hand, die immer noch den füller begrub. "schauen sie nur!", sie drehte mir die hand herum und betrachtete die tinte die noch feucht war, "ich beschmutze mich mit ihrer tinte, mein herr", dabei strich sie mit der fingerkuppe langsam durch die nasse tintenpfütze in meiner gekrümmten hand und pustete nach einer feder, die beinahe gelandete wäre. die feder flog auf der woge davon und landete kurz darauf trotzdem, abseits auf dem weißen, so daß ich sie nicht mehr beachtete. mich interessierte nur noch die schwärze, die sie mir ankündigte und mir ins gesicht trug. "wie zwei kastanien liegen ihre augen dort in ihrem gesicht, mein herr", sagte sie und betrachtete mich nachdenklich, dann fuhr sie mit fort,  "sie sind schwarz geworden, und die kastanien sind kaum noch zu sehen", flüsterte sie. "so" dachte ich, "schwarz bin ich". ich hatte die ganze zeit nach unten gesehen und noch nicht einmal ihren finger verfolgt. er war eine weiße motte, die herumflatterte, meinen starren blick kaum beeindruckte. ich starrte in die tinte, in die schwarze tinte. "nun sehen sie schon auf, mein herr, sie sollten nicht die ganze zeit nach unten schauen, sie sind schwarz geworden, na und, sehen sie mich an, bin ich es nicht auch, ganz schwarz, oder?". das klang fordernd, so daß ich nicht anders konnte und hinübersah. da sahen mich smaragdgrüne augen an, die tauchten aus der schwarzen haut auf, die sich über den knochen spannte.  "da drinnen tragen wir immer noch elfenbein und rotes blut strömt unter der haut. diese schwärze, mein herr, soll sie nicht beängstigen, ich bin schneeweiss und sie eine rothaut". ich verstand nicht, denn alle haut zeigte sich immer noch tiefschwarz.


Freitag, 13. Dezember 2013

81. fortsetzung "nirgendwo"


ich sah lange hinüber. erleichtert, endlich ruhe gefunden zu haben. es war so ein schöner anblick. und wenn es schepperte, war es kein schlüsselbund. löffel fielen in die tassen, und heisses wasser. es dampfte und zischte aus dem kupferkessel nebenan. eine parade weissen porzellans. salutierende hände in griffhöhe trugen volle tabletts, voll mit tassen und kuchen. feine finger hatten das schleifchen gebunden, an der schürze. feine finge hatten das weisse häubchen auf das dunkle haar gesetzt. als das tablett an mir vorbeischwebte, war da auch ein goldener ring mit grünem seelchen. er blinkte und ich schluckte tapfer, um nicht zu weinen. "sie haben feuchte augen, mein herr. haben sie geweint?". ich wurde angesprochen und war überrascht. sie stellte ihre schlittschuhe zurseite und öffnete den mantel, setzte sich mir gegenüber und befreite sich aus den ärmeln. "nein!", log ich, "meine augen sind..", ich suchte nach einem wort,".. gereizt, ..ja". sie glaubte mir nicht, aber widersprach nicht, sondern betrachtete mich, indem sie mir in die augen sah und den blick dort ruhen ließ, ohne daß er mir wehtat. nein, ich konnte mich sogar in ihren augen weiden. "stilles schaf, weisses lämmchen". "was reden sie da?, mein herr". ich flammte auf und fingerte am kragen. das half. sie sah mich, selbst als sie mich keck tadelte, noch so sanft an. sie beugte sich über den tisch und öffnete mir den kragenknopf, einfach so. dann glitt sie zurück und sank ins polster. sie streckte ihre beine und platzierte sie wie außenposten neben meinen. gefangen. auf dem kopf trug sie ein käppchen aus dem selben weissen pelz, wie der mantel. es saß so schief auf dem kopf, das es lustig aussah und wenn sie lachend mit dem rücken gegen die polster schlug, dann wippte es. "haben sie keine tinte mehr?". sie hatte bemerkt, daß vor mir das aufgeschlagene buch lag, und ich sah es auch. ich hatte keine ahnung, wie es dahin gekommen war. ich hatte einen füller in der hand und die hand ruhte darüber. er lag unter meinen fingern, die ihn fast zudeckten und dabei einen tintenfleck verbargen, der ins tischtuch gedrungen war, sich verbreiterte, bis der stoff nichts  mehr aufsaugte.



Mittwoch, 11. Dezember 2013

80.fortsetzung "nirgendwo"


ohne zweifel war ich nicht mehr dort, wo ich nichts erkannt hatte, wo ich nichts fand, das taugte, mir zu sagen, aha, dort bist du also, ausser gefecht, mit verbundenen händen zwar, aber voller gewissheit, über den aufenthalt. ich brauchte nicht mehr darüber nachzudenken, denn ich hatte mich ja wiedergefunden und das durchaus kommod im tiefen polster eines sofas, das in einem gasthaus stand. ich blickte mich um und sah durch die scheibe nach draußen. es war schon dunkel oder immer noch, aber das kümmerte mich auch nicht, denn das dunkel glitzerte wie eis, auf dem sich die laternen spiegeln. passanten mit schlittschuhen, die sie an den zusammengebunden riemen trugen, waren unterwegs, kamen von der andern straßenseite herüber oder begaben sich dorthin und verschwanden unter den girlanden aus  glühbirnen.



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79. fortsetzung "nirgendwo"


so sehr ich mich um meine geschichte bemühte, umso geschichtsloser wurde ich. der planet schien zu ruhen, als läge er im abzugsschacht, als wäre er eine flipperkugel, das licht aus und der automat ohne strom. keines der bunten bilder leuchtete auf, keine musik, kein gejaule. die hunde schliefen zu lange. der tag wollte nicht werden. die nacht war ohne stimme. einmal ein heisernes räuspern, ein kurzes klingeln von ein schlüsselbund, zu kurz, den schließer zu orten. es schien alles erst in vorbereitung, als hätten sie noch keinen plan, als wären sie beim brüten eingeschlafen. es war nicht sicher, ob sie weitermachen. vorerst saßen sie einzeln in kleinen kammern hinter den tischen und warteten ab. 



Samstag, 7. Dezember 2013

78. fortsetzung "nirgendwo"


ich konnte sie nicht aufhalten. der buchhalter schien das land  vermessen zu wollen, er war schon verschwunden. und die rhabarberinnen entschwebten, so leicht waren sie geworden. ich verlor meine geschichte. kein blatt hatte mehr eine rückseite. es löste sich einfach auf. wo war die schmetternde lerche hoch über dem feld. nur klirrende kälte. keine krähen, aber ein junger bussard, der zupfte etwas fleisch aus den krallen. mir flackerte ein gesicht auf und ich fand keine antwort. da ich nicht mehr folgen konnte, mußte ich bleiben. der ort an dem ich zurückblieb war unklar. filme folgten, ohne daß es mir gelang aufzustehen. könnte ich doch etwas ertasten das blieb. ich konnte die hände garnicht bewegen. sie lagen wie blei neben mir und ich  zweifelte, daß ich mich im freien aufhielt. die nachtschwester tauchte auf und versorgte die verwundeten. mich übersah sie oder sie sah mich nicht oder ich lag nicht dort. manchmal schien es mir, als wäre ich eine pistolenkugel, die ihr ziel sucht, nachdem sie die hand des bettlers durchschlagenn hatte und weiterflog. dann war ich wieder nur ein nasses laken. ich bekam schwer luft. wieder versuchte ich zu schlafen. "einfach träumen mein lieber junge". "klammer dich an die füße und flieg". "an die gelben krallen?". "nein, greif mein haar oder soll ich dich hochnehmen?". "nimm mich hoch". ihr haar roch gut und über der brust lag ein frisches weisses tuch. ich hustete und sie strich mir über die stirn.


Dienstag, 12. November 2013

77. fortsetzung "nirgendwo"


ich blieb immer weiter zurück, konnte nicht mehr folgen, nagte am zweifel, artig das alte brot kauend, ein stilles mäuschen im weiten feld. der trupp war mir entfleucht. die rhabarberinnen schnatterten, aber ich hörte sie nicht mehr. der buchhalter, als wandersmann erschienen, eilte voran. wohin so eilig. oh je, das feld, das streckt sich und mäuse, kleine mäuse sitzen starr. ich luge über die krume und groß ist sein schuh, er tritt und tritt. was für ein kerl. sieh da, es ist der erbsenstreuer, er führt falsch. es ist der falsche, der da führt. "halt, lana, halt!, nicht weitergehen!". mein mäuseruf, ist doch nur feines fiepen, schrill, dann starre ich wieder. wie sie eilen. wie fettig die krume an der hand klebt. ich grabe, komme ich je wieder hier raus?, furche um furche, umlaufe jeden krümel. die glimmernden steine in der erde. so schön. die eisblumen am fenster, sind die ganze woche gewachsen. da ist ein sprung in der scheibe. das feuer geht aus. morgen wird es wieder brennen. ich wackele im bett. das baby schläft noch drüben. ich bin allein. der wind rüttelt irgendwo. was ist, wenn es nicht mehr hell wird. ich kann nicht raus. opa schläft neben oma. ich bin klein, wie eine maus. das weiß ich nicht. ich wachse zu schnell. ich bekomme keine luft. dann holen sie den arzt. ich bin wieder zurück. der opa hat geweint. bin doch gesund und huste nicht mehr. wie die quarzlampe gut riecht. "gerdchen", ruft opa, "wir gehen in den wald". oh ja, und wie wir in den wald gehen, ist schon wieder sommer. und opa nimmt mich überallhin mit. ich träume schon. "das jungchen hat wohl schlapp gemacht!",  sagt der buchhalter und beäugt mich. die rhabarberinnen stehn mit ihm kreis. lana kniet neben mir und legt mir den kopf hoch. ich fühle mich so leer. hab ich denn hände? ich versuch's erst garnicht. "ihr dürft ihn aber nicht im feld begraben!", schimpft der schwarze vogel. "ja, sei ruhig, das wollen wir auch garnicht", antwortet der buchhalter. "lana, ich bin so schwach", hoert sie mich?, hab nichts gesagt. opa war mit mir beim schwarzwaldmädel. haben die schöne hüte gehabt, mit roten kugeln. die rhabarberinnen summten schon. ach, bitte, bitte, summt, weißt du, so wie es summt, wenn bienen vor den blüten stehen. "lana, hast du mich verloren?". "nein, punkt, du bist nicht tot". "lebe ich?". "ja! bald spürst du es." das bienchen summte garnicht fein, es brummte gar und verschluckte sich. rückwaerts fliegt es, auf zur nächsten tüte. leckereien. die bonbonreste in der tüte für den fünfer. was ist da alles drin?, "i gitt!, eins ist ranzig". "was redest du?"  "ach lana, war beim knusperhäuschen, bonbonreste kaufen". der himmel verfinstete sich. "da, der erbsenstreur will mich holen!". "was redet er nur, das jungchen?". "er ist es nicht, er greift in die tasche, sieh doch, lana, er greift, um erbsen zu streuen". ich kann sie riechen. die fette erbsenmast. die schale platzt. da springen alle mann auf einmal aus der erde. hui! wie das weht. sie springen neben mir heraus. einmal noch. wieder alle. und noch einmal. wieder alle. "du nimmst ihm das licht, buchhalter, beug dich nicht so tief hinab". da fährt er hoch, der kopf. und wieder scheint die sonne auf die vogelscheuchen. das feld ist umgepflügt. die krähen finden reichlich futter. "tragt ihn, fragt ihn", schnatterte lana den rharbarinnen zu. die fragten mich zwitschernd, wie das vöglein, das hoch über dem feld steht. "willst du hoch zu mir?". "ja, vöglein, ich will hoch dir!". da wurde mir leicht. ich lag auf weichen kissen und lana folgte. ich sah ihr liebes gesicht ganz verkehrt, ach wie lustig das war. "wohin geht die reise?", fragte ich frech. "ach", sagte lana,"wir ziehen so durch's freie feld und wenn's dir besser geht, kommen wir vielleicht, vielleicht, na, mal sehen, jetzt ruh dich noch!". der buchhalter sah sich nach mir um, "hat wohl wenig gegessen. nicht gefruehstueckt. ja, ja!". ich sah ihn garnicht gern, aber er wird es ja wohl sein, der buchhalter, ja, er ist's, denn als ich nochmal blinzelte, da blinzelte er zurück, der kerl.    



Samstag, 2. November 2013

76. fortsetzung "nirgendwo"


ich war im oberstübchen gelandet und äugte vorsichtig aus dem fenster, so wie einer, der nicht gesehen werden will. aber kaum sah ich heraus, traf ich lanas blick. alle standen vor dem wirtshaus, das jetzt ein ruhiger ort war. tische und bänke waren ausgeräumt. eine lange bank, an der wand beim eingang, hatte man stehengelassen. da saßen die männer nebeneinander. da sie keine ahnung hatten, warteten sie nicht. die frauen versorgten sie, brachten sie abends nach hause und morgens wieder hierher. das war nun die regel. eines tages, es war wohl eine woche vergangen, daß ich im oberstübchen saß, unentschloßen, mit schlechten gewissen, lana und die anderen warten zu lassen, da lärmte es im oberen flur. die schnauzbärte hatten die erbse im ausguß verloren. da war ihr bad mit dem führer beendet. sich gegenseitig die schuld zuweisend, polterten sie die treppe hinunter, nur das handtuch umgebunden. sie bekamen gar nicht mit, daß das wirtshaus ausgeräumt war und waren schon am ausgang, als sie da den buchhalter bemerkten, der dort mit den anderen seit tagen stillstand und darauf wartete, das ich mich doch noch entschlöße. sieh an, dachte ich, es geht doch noch etwas voran. das wunderte mich, denn  immer wenn ich aus dem fester sah, standen sie still und warteten, nur lana erblickte mich jedesmal. sie stand neben punkt karo, der nicht gut zu sehen war, er stand mit dem rücken zu mir. er schien unentschlossen, steckte sie hand in die tasche, zog sie wieder heraus, strich sich durchs haar, wie ein aufziehmännchen, das hakte. lana deutete mit beiden händen auf punkt karo, sah mich fragend an und hob die schulter zur frage. "komm doch endlich" schien sie sagen," punkt karo will ohne dich nicht weitergehen und wir auch nicht. sollen wir ewig hier unten stehen?" die schnauzbärte hatten sich, vor dem buchhalter flüchtend, über den haufen gerannt, ohne erbse, ohne führer, ohne kleider. der buchhalter nahm die beiden an die hand, zog die nach vorne gebeugten schlotterten nackten, die sich kaum sträubten hinter sie wendetür, wo sie ins nichts fielen. er schloß ab und schaute vergnügt, als er zurück kam. ich versteckte mich nicht mehr hinter der scheibe, sondern öffnete das oberstübchen und ließ, tagelang eingeschlossen, endlich luft hinein. "lana", rief ich und zeigte auf punkt karo, "bin gleich zur stelle". punkt karo sah nach oben und sagte, "lana, wir können gehen!"

Mittwoch, 9. Oktober 2013

75. fortsetzung "nirgendwo"


"es ist ja so still und schön hier im tal", raunte josef seinem nachbarn zu, den er anscheinend sah. doch zurück. die rhabarberinnen hatten platz gemacht, hatten sich neben der tür aufgestellt, die weit geöffnet war. draußen wehte der nachtwind ein letztes mal, überlies dem morgen seine flure, rüttelte noch einmal am birnbaum, in dem die ersten amseln zu singen begannen. die morgenröte stieg auf und allmählich glich sich der raum, in dem alle noch verharrten, an. die aufgehende sonne brachte den tag und der brachte die lange erwarteten. tipsi traf ein. es hatte gehupt und fast war es wie früher, als der bus noch regelmäßig hin und her fuhr, etwas später nur. der wirt zog die taschenuhr heraus und schüttelte den kopf, als er merkte, daß der bus zu früh eintraf. er brachte auch noch lana, den buchhalter und den lindenwirt herbei. nun konnte das gericht gehalten werden. zuerst kam es aber noch zu einem wiedersehen. lana umarmte mich und lachte mich an und ich drückte sie fest an mich. auch der maler freute sich über den buchhalter, den er nach dem zerwürfnis über die reisekammern daß erste mal wiedersah. die freunde begrüßten sich. der lindenwirt stand bei tipsi und war etwas verlegen, hatte aber dann damit zu tun, schon die runde der säufer zu beäugen, die alle sehr trocken dasaßen. der durst war wohl da, aber da es nun ernst wurde, saßen sie unruhig und schluckten nur nach luft. er sah sie grimmig an, als wüßte er schon, daß sie lumpen sind. tipsi begann. sie wandte sich den rhabarberinnen zu und damit war der prozess im gange. lana hatte sich zu tipsi gesellt und die beiden rhabarberinnen auf erden, die sie ja waren seitdem sie sich entschloßen hatten hier zu bleiben, teilten den rhababerinnen, die gekommen waren um zu richten, mit, was damals in der mühle geschehen war. sie taten es ohne zu reden, beinahe lautlos. nur zwischendurch erklangen laute, die den schmerz und vorallendingen die pein erahnen ließen, die tipsi und die zwerge erlitten hatten. schmerzen die tipsi empfand, weil sie auf erden war, und pein, weil sie eine rhabarberinn ist, die eine so gemeine tat das erste mal erlebte. tipsi und lana bewegten sich während der klage und beschworen die gemeinheiten, die angeklagt wurden, mit gesten, lange anhaltende gesten, die bewirkten, das der raum zu schwingen anfing. da stand ich bald im maisfeld, das licht wechselte, dann wieder im feuchten schilf. halme im wind, peitschender regen, blitze, grelle sonne, eine vogelscheuche. das urteil verkündeten die rhabarberinnen, nachdem sie tipsi und lana, die aus der trance fielen, aufgefangen hatten. sie wurden hingelegt und mit dem türvorhang, den der lindenwirt heruntergezogen hatte, zugedeckt. es ging ihnen gut, aber sie waren ermattet und sollten ruhen. die rhabarberinnen gingen zum richten von einem zum anderen und alle wurden von ihnen behandelt. die gemeinsten zuerst. dazu traten die rhabarinnen vor sie hin und nahmen sie in die mitte. sie schnatterten und summten, bis der ton gefunden war. so schufen sie ein weites stilles tal im kopf des bestraften. nichts sollte ihn wieder fortbringen von dort. er sollte nur stille sitzen und in die ferne schauen.   



"so schufen sie ein weites stilles tal im kopf des bestraften.
 nichts sollte ihn wieder fortbringen von dort"


Montag, 30. September 2013

74. fortsetzung "nirgendwo"




schlag zwölf ging die tür auf. knarrend. sie wurde von außen aufgestoßen und gleich wieder geschlossen. die beiden, die herausstürzten, als hätte sie jemand gestoßen, landeten auf dem fußboden.  es ist immer dasselbe, wenn um zwölf die wendetür aufgeht, dann werden die hinausgeworfen, die sich drüben versteckt hatten, um nicht bis zum nächsten wochenende warten zu müssen. dummköpfe, wissen sie denn nicht, das in der woche nichts läuft. da wird alles abgeschaltet und keines der mädchen winkt mit dem finger, wie am sonntag, wenn hochbetrieb ist und kitti, katti, ketti, kotti, kutti locken, auch klone. aber das fällt den männern nicht auf. sie bekommen, was sie wollen, geschminkt oder blind. dann aber schlagartig türschluß. vorher drei sirenen, dissonant und störend, wie es sein soll, dann rattengang, dann rindergatter, dann zurück ins dorf. doch wer sich jetzt versteckt hat, wundert sich zuerst, bevor er sich fürchtet, im dunkelen, im nichts, im garnichts. er wird wahnsinnig, denn keine wand, kein möbel, kein fußboden, garnichts ist noch da. er sackt zusammen, hockt oder liegt oder steht oder geht im garnichts. fünf tage lang. dann taucht ein kehrmaschine aus dem garnichts auf, bedient von einem kleinen mann mit runder brille und guten manieren. die bummler starren ihn an. sie können kaum sehen, nach tagelanger dunkelheit. deshalb hält der mann die lampe auch gedämpft. blenden soll er sie nicht. das ist nicht sein auftrag. er sieht die bummler freundlich an, reicht ihnen sein pausenbrot und wartet, bis sie es verschlungen haben. er gibt ihnen auch zu trinken. dann weist er ihnen den weg zur tür und öffnet sie. das reicht aus. sie stürzen von selbst hindurch. es ist kein arschtritt nötig. sie kommen auch so ins straucheln. landen auf dem boden. junge burschen. das erste mal drüben. zum gelächter der alten säufer. doch diesmal sollte dem schrecken noch einer folgen. gerade als die säufer anfingen schadenfroh anzüglichkeiten brüllend in den raum zu spucken, die jungen an ihren tischen herumzerrten, bis sie endlich sitzen durften, "bier her!" riefen die säufer, da begann ein toben in der luft. eine gleissende helle drang herein. sie waren gelandet, die rhabarberinnen, um zu richten. als ich wieder sehen konnte, erblickte ich die stangendürren rhababerinnen, wie sie hereinkamen und stehen blieben. sie nahmen kaum raum ein, so dürr waren sie und so waren es wohl an die zwanzig, die dort standen. eine begann mit dem schnarren, das sich mit nachhall übersetzte und verständlich wurde, wobei betonung und gewohnte pausen fehlten. die rede erklärte, daß jetzt ein gericht gehalten werde, über die, die beteiligt waren, mit wort oder duldung, an dem, das tipsi angetan wurde. am ende der rede herrschte stille. die einen schwiegen vor furcht und die rhabarberinnen schwiegen einfach und warteten ab. nach einer weile hatten die säufer sich vom schock erholt und wollten aufbegehren. da funkte ihnen aber sofort eine welle entgegen, die sie auf den boden warf. danach versuchte keiner mehr was. "sie warten auf tipsi", sagte der maler.



""bier her!" riefen die säufer,
 da begann ein toben in der luft.
eine gleissende helle drang herein.
sie waren gelandet, die rhabarberinnen, um zu richten"




Freitag, 27. September 2013

73. fortsetzung "nirgendwo"




"hier!, passen sie auf ihren führer auf, meine herren", der maler hielt die erbse hin und die schnauzbärte griffen nach ihr, dabei fiel sie wieder zu boden und sie krochen auf der erde herum. "und denkt daran, immer gut wässern, das hat er gern, und noch etwas, der tip des tages, ab in die
wanne, die erbse behutsam in der hand gehalten und dann baden die herren nackt mit ihrem führer, na! ist das nichts? und nun empfehlen sie sich, ich wünsche noch zu plaudern", er zeigte auf mich, "mit punkt karo und wenn es die ganze nacht dauert, keine störung mehr, bitte, punkt!". die schnauzbärte, die ihren führer nun wieder in der hand hielten, der rote durfte ihn halten, verabschiedeten sich rückwärts gehend fortwährend dienernd. "fein! fein!", riefen sie, "ganz fein! ja ein bad, ein bad wäre ganz fein!" "sie sind nun beschäftigt und wir tagen weiter, punkt karo". ich war mit dem maler bisher nicht warm geworden, zu fremd war er mir und die art, in der er sich gab, an der theke, vor den leuten, als wäre er ihr herr, gefiel mir nicht. "maler, hast du den keinen namen?", fragte ich hölzern. "nein, den tragen wir generellen nicht", erklärte er mir und wieder störte ich mich am ton, "es sei denn jemand gibt uns einen, den dulden wir, wenn er nicht arg ist". ich fuhr fort, vergaß alle regeln eines leichten gesprächs und fragte erneut, ohne daß sich bei mir wissbegier abzeichnete, sicher blass und mit müden augen, "maler, hast du schon bilder gemalt". verunsichert, ob ihn meine art zu fragen nicht störte , fragte ich noch steifer, "hast du schon ein bild gemalt?" jedes kind hätte besser gefragt. ich fragte so, als läse ich die fragen vom zettel ab. "bilder habe ich gemalt", antwortet er, "ich nehme es nicht so wichtig, wie die künstler, aber es ist durchaus amüsant. das elektrische bringe ich dort lieber nicht hinein, wie einst der generelle, der ein porträt malte, das anstelle des darstellten alterte. er verlor sein ansehen und seine fähigkeiten und bemalte danach nur noch porzellan". wohl vom ärger über seine hochnäsige art, schoß mir wieder blut in den kopf. bevor ich etwas einwenden konnte fuhr er fort, "ich sehe künstler, die versuchen ihre bilder  lebendig erscheinen zu lassen und ruhen nicht damit, bis es ihnen scheinbar gelingt. kein wunder, daß ihnen geister und daimonen von hinten die stirn graulen und um die brille streiten, sie zu halten. aber es ist ihnen freigestellt, etwas erobern zu wollen, an das wir schon gebunden sind". dann kam er auf mich, "deine signaturen sind gut, zumindest teilweise funktionieren sie, aber was soll die zweite durchscheinende signatur auf der rückseite, das verträgt sich nicht, laß das sein. ich sehe, du versuchst die elektrische farbe nachzuahmen, mit dem fuzzeligen pinsel, gut daß du keine hast, sonst wirst du uns noch begeistern", er lachte darüber.  fragen vom zettel brauchte ich nun keine mehr. ich versuchte wieder etwas über tipsi herauszubekommen. jedes mal wenn der name "tipsi" fiel, kam unruhe in der schenke auf. einer der betrunkenen lärmte, "die hure hat hans und georg getötet". ich wollte hin und ihm sein glas ins lästermaul hauen. der maler hielt mich aber am ärmel, "lass nur, das wird ihm bald heimgezahlt, warte nur, bald", raunte er vielsagend. unser gespräch wurde allgemeiner. es kreiste um ort und umgebung, wie man wohin käme. der busverkehr war immer noch unterbrochen und ein fußmarsch zur stadt würde durch sumpfland führen und war wegen der riesenschweine gefährlich. "aber", wandte ich ein und zeigte auf die säufer, "die müssen doch auch mal raus, die sitzen doch nicht tag und nacht hier". sie klotzten herüber. "wo gehen sie sonntags hin?". "na, durch die wendetür", sagte der maler und zeigte in den gang, der zum klo führt.  ich sah aus dem dunkel heraus kaum sichtbar eine tür, eine blechtür anscheinend, die ich als zugang zum vorratsraum gedeutet hätte. "da habe ich aber noch keinen hineingehen sehen", sagte ich. "es ist nur am wochenende geöffnet". "und was ist dahinter?" "alles weitere, zuerst ein bordell, dann die kirche und letzten endes auch der schlachter. letzten sonntag, kam einer mit einem halben tier über der schulter heraus, ihm folgte die witwe von georg, dem georg der in der mühle war und bitter bezahlte, für das was er tipsi antun wollte". "was ist passiert, maler?", flehte ich ihn an, "du weisst es doch mehr, erzähl nur!". "gut, dann die geschichte, die böse endete, als zwei..", er stand auf und erzählte sie laut,".. besoffene kerle beschlossen noch spaß zu haben, und weil die wendetür geschlossen war, es war ja erst dienstag, na, was haben gerufen, ihr wart doch alle hier, ihr habt es doch gehört und sie noch angeheizt, "ja geht zu tipsi, und nehmt sie euch, nehmt sie euch..", das habt ihr geschrien, besoffen, bis sie gingen. was dann in der mühle passierte, werden wir bald erfahren, wenn tipsi zurückkommt, und sie kommt zurück, das verspreche ich euch, die rhabarberinn kommt zurück!". dann setzte sich der maler wieder, den ich nun bewunderte, weil er so aufbrauste. die säufer lallten wieder unter sich, tuschelten leiser und patschten sich selbst über die wange, wischten sich mit dem handrücken den schweiß von der stirn, bekamen wieder etwas eingeschenkt und starrten wieder ins glas. ich sah nach der blechtür, der angeblichen wendetür, "ja, kann man nicht durch sie in die stadt kommen. irgendwo muss es doch dahinter rausgehen?". "nein, erklärte der maler müde, "alles dahinter ist ein geschlossener raum. ich weiß noch nicht einmal, wo er angesiedelt ist, vielleicht garnicht auf der erde. bisher hat noch niemand mit der spitzhacke gegen die wände gehauen". 




"die schnauzbärte, die ihren führer nun wieder in der hand hielten,
 der rote durfte ihn halten,
verabschiedeten sich rückwärtsgehend fortwährend dienernd" 





Dienstag, 24. September 2013

72. fortsetzung "nirgendwo"


"da kommt punkt karo!", riefen die schnauzbärte, beinahe zeitgleich und schlugen die beine übereinander, mehrmals wechselnd, im rhythmus, als führten sie ein tänzchen auf, dabei hielten sie die arme verschränkt, und riefen "hossa!". sie wiederholten sich. "da kommt punkt karo! hossa!, riefen die schnauzbärte, beinahe zeitgleich und schlugen die beine übereinander, mehrmals wechselnd, im rhythmus, als führten sie ein tänzchen auf, dabei hielten sie die arme verschränkt, und riefen "hossa!". den maler hatten sie zwischen sich an der theke. als ich den "krug" betreten hatte, fing ich mir einige blicke ein, die köpfe senkten sich aber gleich wieder über die gläser. ich trat vor die schnauzbärte, "geht weg, ich will mit dem maler sprechen!". "punkt karo", zogen sie meinen namen genüßlich in die länge, "ist keck. wir sollen vom fleck. keck. keck".  sie zeigten auf den maler. "schau, der maler will nicht sprechen, er dreht sich nicht, er will wohl nicht". der maler saß wirklich mit dem rücken zu mir und blieb reglos, ohne es den säufern gleichzutuen, die zusammengesunken an den tischen hockten. er saß entspannt. ruhig mischte er sich ein, "lasst mich allein mit punkt karo", bat er, ohne sie anzusehen. die schnauzbärte streckten die beine von sich, drehten daumen und wackelten mit den köpfen. dann knallten sie die hacken zusammen, sprangen von den hockern und klopften mit den knöcheln auf den tresen. "pass auf maler, er wird es dir vielleicht nachtragen, sein schönes haus, alles verbrannt" sie begannen einen abzählreim lautlos aufzusagen und machten so als rieben sie sich tränen aus den augen. "wir sind bald wieder da", sangen sie fast und verschwanden nach oben. der maler drehte sich um und sah mich ernst an, "punkt karo, so sehen wir uns wieder". ich hatte ihn damals kaum wahrgenommen, als er mir aus dem ohr fiel und sich davonmachte. nun sah ich ihn das erste mal deutlich vor mir, den maler, den mir der buchhalter nahe bringen wollte. was machte er nur hier bei den schnauzbärten. "wo ist tipsi?", sprach ich ihn an, den ich war in sorge um sie, "was wolltest du bei mir, wer hat feuer gelegt?". "komm", sagte er, "wir setzen uns dort ins eck. herr wirt, zwei tee!". wir saßen am stammtisch, der bunte wimpel zog eine grenze und wir gossen sahne in dampfenden tee, der noch knisterte. nachdem der maler einen schluck getrunken hatte, sah er mich an, "die rhabarberinn ist verschwunden, sie ist wohlauf. doch die polizei sucht sie", begann er mit der antwort auf meine fragen. er zögerte, es wollte ihm nicht über die lippen, denn der vorwurf gegen tipsi war ungeheuerlich, "sie wird wegen mord gesucht" "was...?, wegen mord, das ist doch ganz unmöglich, wen soll sie denn umgebracht haben. tipsi doch nicht!" "du hast die mühle gesehen?", fragte er. "ja, da hat es auch gebrannt". "nicht nur das! man hat nach dem löschen zwei männer aufgefunden, zwei aus dem dorf, tot, und nicht durch den brand. die rhabarberinn hat sich aber retten können, da bin ich sicher. mehr weiß ich nicht!". ich war verwirrt und immer noch besorgt. "was willst du hier, maler, bei den schnauzbärten, weiß den der buchhalter davon?" "ich will nicht darüber reden, es muss geheim bleiben, nur das, was du eh erfährst, die schnauzbärte werden sich schon brüsten, mich hier zu haben". "also bist du nicht gezwungen und könntest fort, auf der tinte. kannst du mich nicht zurückbringen, zum buchhalter vielleicht, meine reisekammer ist mit verbrannt. oder weisst du eine reisekammer hier im ort?". "nein, ich will bleiben und tinte hab ich auch nicht genug, auch keinen pinsel. ich fürchte, du kommst auch nicht hier weg". "was wollen die schnauzbärte von dir?". "denen genügt es, wenn ich scherze. hauptsache, sie glauben mich zu haben, des buchhalters generellen". er schwieg und wir nippten am tee. nach einer weile sagte der maler, "so, sie werden sicher gleich wieder runterkommen", und sah zur treppe. "zeit für eine vorstellung! sieh her, siehst du die erbsen hier? das sind keine erbsen, nur tarnung, kleiner scherzartikel, warts ab, wenn sie die treppe hinabkommen, dann gehst los". er nahm ein erbse heraus und barg sie in der hand. "reich mir mal die vase, ah, gut, ist nach wasser drin". er stellte die vase auf den tisch zu dem wimpel. da polterte es auch schon auf der treppe. "sie kommen", sagte er und hob die blumen an, um die erbse ins wasser zu werfen, "wenn es mal sein muß, bekommen sie eine in den whisky!". da standen die schnauzbärte bereits am tisch. bevor sie aber sprechen konnten, ging die erbse los. die blumen flogen aus der vase. dann krabbelt noch etwas heraus. es zog sich hoch, ergriff den vasenrand und stemmte sich hinüber, lies sich fallen. es rollte vom tisch, kam auf die füße und entfaltete sich direkt vor den schnauzbärten, das bild ihres führers stand im prunkrahmen auf nackten beinen und es tönte die hymne des doktors, der sie geschaffen hatte, denn sie waren klone. die schnauzbärte standen sofort stramm und salutierten, zogen sich gegenseitig am bart, schrien wenn es wehtat und gaben sich den bruderkuss. "plopp" machte es, als die verirrten zungen aus den mündern flutschten. das bild des führers fiel ihnen zu füßen, der doktor krächzte, die stimme versagte, dann war es weg. sie sahen sich verdutzt an und sagten, "nicht wahr, es war doch der führer!". "ei", sagte der maler, "eine erbse!" und hob sie auf. 



"sie sahen sich verdutzt an und sagten,
"nicht wahr, es war doch der führer!".
 "ei", sagte der maler, "eine erbse!" und hob sie auf."




Mittwoch, 18. September 2013

71. fortsetzung "nirgendwo"


ich hatte keinen knopf im ohr, hörte aber stimmen, eine stimme. eine stimme, die ich kannte, weil er genau dort gesessen hatte, der maler, im ohr. "bist du wieder in meinem ohr?", fragte ich, denn ich wollte ihn, falls es so ist, nicht mit dem finger zerdrücken. ich hörte nichts, keine antwort. als ich dachte, "habe ich mich wohl getäuscht", kam sie, "du hörst mich und ich höre dich", sagte es im ohr, "nein, ich bin nicht im ohr. ich bin hier im zimmer, zum krug, im dorf!". "aber warum höre ich dich denn?". "habe an dich gedacht, still!...", dann hörte ich wieder nichts. "kann wieder reden, ich sprach und du hast geantwortet. wer weiß, wie das geht. ich sitzte hier im zimmer fest, sie lassen mich nicht gehen. ich war es nicht, aber sie sagen, ich hätte das haus angezündet". "was sagst du da? du warst das?!. ich hab dich gesehen, du bist weggerannt". "ja, aber weil es brannte. ich wollte zu dir und dann brannte es überall".  "ich will dich sehen, maler, ich habe viele fragen und wollte gerade ins dorf gehen, vorher nach tipsi sehen, der rhabarberinn". der maler antwortet nicht mehr. es rauschte im ohr. "ohr", sagte nepomuk, hielt den kopf schief, die hand am ohr und sah mich sorgenvoll an. "nein, nepomuk, mir tut das ohr nicht weh". ich sah die beiden an, "wo geht ihr denn hin, ich will ins dorf". "ich mit ihr", sagte nepomuk und die zwergin hielt seine hand. "gut, dann geh ich jetzt", sagte ich und war versucht nepomuk die hand zu schütteln. die beiden zeigten zum wald hin und dort gingen unzählige kleine lichter an, so daß ich den weg sehen konnte. sie waren so hell wie sterne und ich konnte nicht hineinsehen, dabei waren sie klein wie funken. die meisten standen still am selben platz, einige schienen vor mir herzuziehen, dann dröhnte der boden, als ob jemand durch den wald galoppierte. ich spürte einen windhauch über meinem kopf und eine feder streifte mich. es brauste und lärmte. dazu kamen geräusche von rädern und gestellen, die ächzten. immer mehr unsichtbare schienen vor mir auf den weg zu drängen, als wollten sie mir als schar dienen, hinter der ich sicher ins dorf käme. da war der wald zuende und die felder erreicht. nun sah ich auch das erste mal die mühle. als ich näher kam, war sie unheimlich. nichts deutete darauf, daß sie bewohnt war. dunkel stand sie dahinten und kein laut drang heraus. wenn sie schliefen, auch dann wäre es nicht so totenstill. nein tipsi war nicht mehr hier. ich rüttelte an der tür, doch sie war verschlossen und da sah ich das die fenster, die scheiben eingeworfen. es roch nach kaltem rauch. auch hier hatte es gebrannt, aber die mühle stand noch.



" es brauste und lärmte.
dazu kamen geräusche von rädern und gestellen, die ächzten"




Donnerstag, 12. September 2013

70. fortsetzung "nirgendwo"


auf der hohen düne angekommen, setzte ich mich. möwen strichen hinter den hügeln her und hoben sich über die sanften kanten, hielten sich einen moment fast auf der stelle und segelten weiter. ich sah das meer. nepomuk und die zwergin waren mitgekommen. pluto bewachte das haus, eigentlich die reisekammer, denn er lag dort auf der luke. die letzten tage waren ruhig und gesellig, denn mit nepomuk kamen auch die anderen zwerge ins haus. sie saßen in der runde und schauten, was die zwergin macht. sie machte meiner meinung nach nichts, doch das sahen die zwerge anders, denn sie nickten zustimmend, seufzten so tief, daß ich mitseufzte, oder summten. danach erhoben sie sich und gingen hintereinander weg, neigten sich zur seite, drehten sich auf der stelle, gingen wieder schnurstracks, neigten sich zur anderen seite, streckten die arme hoch und winkten, die hände flach, als trügen sie etwas über sich und wollten es zeigen. hatten sie genug getan, saßen sie so still in der runde, daß ich einschlief. "nepomuk, wo sind den die anderen?", denn heute war er nur mit der zwergin gekommen. "nicht da", sagte er und schaute aufs meer, das bis zu dem schnurgeraden strich reichte, auf dem sich am ende des tages die sonne niederliess und dahinter verschwand. es war schon dunkel. die augen der zwergin warfen noch etwas licht und bei nepomuk war es die rote mütze die leuchtete. ich konnte nichts dazutun und hätte ohne den beiden im dunklen gesessen. wir saßen lange schweigend und warteten auf das blinken der hellsten sterne. "da!, die sind schön", sagte nepomuk und zeigte auf die milchstrasse. die zwergin war aufgestanden. nepomuk erschrak. er zog an mir und ich drehte mich um. es brannte. das haus brannte. "nein!", mehr brachte ich nicht heraus. die flammen schlugen schon über die brüstung und dann fing es an zu knistern und zu knallen. die zwergin stieß einen hellen schrei aus. ich konnte nichts mehr hören, doch sie stand noch immer mit offenem mund und schaute zum himmel. ich sah auf das brennende haus hinunter und zitterte. nepomuk hielt sich die hände vor das gesicht. ein hund bellte. im schein der flammen rannte jemand davon. es ist ja zuweit weg, dachte ich, ich bin mir nicht sicher. "da rennt er", sagte nepomuk, er hatte ihn auch gesehen. das bellen kommt näher, dann springt pluto die düne hinauf und winselt. "ach pluto", sage ich, "jetzt haben wir kein haus mehr". die zwergin redete mit nepomuk. "die mutter kommt", sagte nepomuk. die mutter erschien über dem kieferwäldchen im nebelschwaden und legte sich um jeden zweig. so brannte das haus und der wald blieb verschont. als das haus nur noch glimmte, machten wir uns auf den weg. ich gruselte mich, sah schatten huschen und meinte neben mir das grinsende gesicht eines schnauzbärtigen zu sehen. es blitzte auf und war weg, ohne daß ich sagen konnte, ob es eine roter oder ein schwarzer bart war. da stand ich auch schon vor den glimmenden resten der treppe und sah in das gerippe der verbrannten balken. da war nichts mehr zu retten. alles war verbrannt. die reisekammer, dachte ich, wie soll ich jetzt fortkommen. ich hatte mich damit getröstet hineinzusteigen, doch sie war ja auch verbrannt. es konnte nicht anders sein.  




"die mutter erschien über dem kieferwäldchen im nebelschwaden
und legte sich um jeden zweig.
 so brannte das haus und der wald blieb verschont"


Mittwoch, 4. September 2013

69. fortsetzung "nirgendwo"


die zwerge waren nicht gekommen, lana blieb fern und auch tipsi meldete sich nicht. mir war es recht, denn ich war beschäftigt. ich hatte mich entschieden anzufangen. die folien waren gebracht worden und ich bereitet sie für den einsatz vor.  ich schnitt sie, lang wie breit, und legte das meterstück auf seinen platz. nun waren sie also vorhanden, die gründe, kein zweifeln hielt mich mehr ab. der entscheidende grund nun zu beginnen, waren aber nicht die gelieferten folien, sondern zwei pinsel, die ich vor jahrzehnten angefertigt hatte und die nun auftauchten. die pinsel, mit einem langen stiel aus bambus, lagen abseits des andern malzeugs. sie waren aus meinen haaren, aus den abgeschnittenten zöpfen hergestellt, mit bienenwachs gekittet und umgarnt. das sie hier waren, schien mir eine verschwörung, es war kein zufall. mit absicht lagen sie dort. nun hatte ich pinsel und grund und farbe, die ich im eimer mit wasser verdünnte. ich wusch und kämmte die pinsel, bis der filz heraus war. die verbliebene haar versuchte ich nun und tauchte heute diesen, am nächsten tag den andern pinsel, ein. da die farbe sich schon gesetzt hatte, begann ich zu rühren. ich rührte vorsichtig, die haare bedenkend, das wasser unter den bodensatz und wiederholte es mehrmals, teils, weil ich zögerte, aber auch, weil es ein gut tat, mich vorzubereiten, noch nicht zu tuen, abzuwarten, bis ich es wollte, denn ich hatte keinen auftrag, es war allein meine entscheidung, ich hätte es auch lassen können, ohne grund, so wie es jetzt tat ohne grund, als der pinsel grundlos wurde, weil ich ihn anhob. ich achtete darauf, die haare aus dem knäuel fallen zu lassen, in das sie sich beim rühren verfingen. als ich sie als locke erkannte, wollte ich sie anheben, aber der impuls brach ab und so wurden sie wieder zum knäuel und wieder zur locke. ich hob den pinsel heraus und trug ihn zur folie, wobei er kleckerte, was ich aber nicht beachtete, weil ich in diesem moment begann, den pinsel zu lenken. die farbe floss mit der bewegung in die linie, die spur, die er hinterließ, als signatur des weges, den er über die fläche nahm, und je nach aufenthalt oder eile, pfützen und striche schuf. in den pfützen meinte ich körper zu sehen und beeilte mich ihnen arme und beine zu verschaffen. schnell waren sie spindeldürr, langsam nur teilweise vorhanden. sie hüpften auf den linien herum, wurden selbst wieder zu linie und so wurde die signatur jeden tag neu. schon am zweiten tag, als ich die signatur des vortages mit weißer farbe übermalte, um sie deutlicher zu machen, sah ich, das ich auf der durchscheinenden fläche einen kommentar hinterlassen konnte und suchte einen zweiten platz, um die gestrichene folie bereitzulegen. von da an hatte ich mich an zwei plätzen zu sammeln. ich ging dann zuerst zur leeren folie,  trug danach den pinsel hinüber, um am anderen platz zu kommentieren. im wechselspiel fand ich leichtigkeit und traute mich mehr. am siebten tag kamen endlich die zwerge. nepomuk schaute herein und seine zwergin sah zu, wie ich den pinsel über die schüssel brachte und ihn zum ausspülen forttrug. die beiden standen und schauten sich das nasse bild an. "schön!" sagte nepomuk und die zwergin war mit mir einverstanden.   



"die beiden standen und schauten sich das nasse bild an.
"schön!" sagte nepomuk und die zwergin war mit mir einverstanden."   




Donnerstag, 29. August 2013

68. fortsetzung "nirgendwo"


statt nach oben zu gehen und zu schlafen, machte ich mir gedanken. jetzt besitze ich nichts, außer einem haus, dachte ich, und habe angst, weil meine götzen daheimgeblieben sind. wie kann es auch sein, das man ein haus besitzt und sonst nichts. früher, seitdem ich mich wieder erinnere, taucht es hinter der grenze auf und wird immer lauter, hatte ich einmal sehr viel um mich herum. wo sind die silberfische?, wo die zitterspinnen?. ich suchte den boden ab, verhielt ich mich still, saß auf den frischen dielen und schnupperte die abgekühlte abendluft, die mich beruhigte, so gut. ich gestattete mir tiefer  zu atmen. wollte ich den wieder hinter die grenze zurück, diesen kram sammeln, der mir die zeit vertrieben hatte, als ich dasaß und die mitbringsel aus dem mülleimer prüfte, ob sie etwas mehr verraten. die frage drängte, weil ich zurückblickte. ich konnte die erinnerung nicht wählen, sie überfiel mich. es gab doch gar keinen grund, etwas zu vermissen, denn ich war seit meinem fortgehen unterwegs gewesen, in hemd und hose, kaum mehr. nun saß ich an einem singenden ort unter einem pechschwarzen himmel, aus dem die sterne herausleuchteten und ihre schweigende pracht mich glücklich machte, ohne das ich fragte, wieso. sollte ich jetzt wieder mit malen anfangen? wäre es dabei geblieben, das ich vergessen hatte, erstaunt und ratlos fragte, wie kommt der buchhalter dazu? aber ich erinnerte mich, wie ich früher kaum mehr platz im regal fand, die leinwände einen ganzen raum füllten, sollte ich das wiederholen, die schönen leeren räumen füllen. einstmals war ich in eine neue wohnung gezogen. die sonne fiel durchs fenster und bildete das kreuz auf dem boden. ich legte eine geöffnete schere in den gähnend leeren raum. einen moment war alles ewig, wollte unberührt bleiben. eine grüne raupe buckelt gerade die wand hoch. ich fand keinen überzeugenden grund, warum ich wieder beginnen sollte. der buchhalter hatte mich vor eine aufgabe gestellt, die mir unlösbar schien. dies hier, war bereits perfekt, jetzt wo die angst vor der leere wie weggeflogen war. einen grund konnte ich nicht verbannen, ungeprüft zu lassen, wie ist es zu malen, ohne etwas bewahren zu wollen. jetzt wo alle erinnerungen wieder zusammenflossen, sich das kaleidoskop zu füllen begann und ich mich damit aufhielt hindurchzuschauen. das naheliegende verschwand schon, da fiel mir der kopf nach vorn und ich schreckte auf, weil mir der nacken wehtat. was machte ich mir für gedanken. als ich vergessen hatte, war ich von maler zu maler gewandert, selbst als der maler mir ins ohr kroch, wollte es mir nicht einfallen, selbst maler gewesen zu sein und jetzt, da es mir einfiel vergaß ich. war ich nicht in der schule der signaturen gewesen?, hatte mich nicht kleinkerl mit schwung auf den lichtstrahl seiner taschenlampe gesetzt?  wir waren im himmel herumgestrolcht. so war es, die signaturen zu üben, auf den bestellten folien, so hatte ich mich entschieden! und traute mich nicht?, weil ich skrupel bekam?, weil ich mich erinnerte?, woher ich kam und was ich schon getan hatte. war das die angst die mich überfallen hatte, nach dem ich trieb und hier gelandet war?  es war mir klar geworden. ich schloss das buch, ich klappte das buch der erinnerung zu. ich wollte die grenze. es steht ja dort, im buch. ich fühlte mich befreit. wo sind die zwerge?, noch nicht da? ich stand auf und ging die dusche suchen. ich fand sie nicht. vielleicht ist ja ein wasser in der nähe, dachte ich und nahm pluto mit, um etwas herumzugehen.


"wo sind die silberfische?,
wo die zitterspinnen?.
ich suchte den boden ab"




Mittwoch, 28. August 2013

67. fortsetzung "nirgendwo"


etwas funktionierte nicht. ich konnte mit mir nichts anfangen, ich konnte nicht malen. nachdem ich das geschenk ausgepackt hatte, stellte ich es in die ecke und suchte mir meinen alten hut, den sie schon entsorgt glaubten, aus dem abfall heraus. so ungefähr fühlte ich mich, als tipsi mit den zwergen gegangen war und ich wieder allein im neuen haus hin und her lief. es war schon panik, die ich verspürte. ich fühlte mich wie ein dressierter pudel am diamantenen halsband. ich muß deutlich anworten, das war mir klar. wenn ich jetzt hier bliebe und den maler mimte, dann war es aus. ich vermisste die alten tapeten, die in schichten übereinander liegen, in die ich hineinpulen konnte, um zu erfahren, wie es darunter aussieht. ich vermisste die gebrauchten bettlaken, die den schweiß der letzten wochen trugen. der ganze siff ging mir hier ab. ich hatte angst zu kleckern, den boden nass zu machen, wer weiß was noch. ich war hier gelähmt, das haus hatte keine geschichte und ich wollte sie ihm nicht geben, indem ich hier alt wurde. es schnürte mir den hals zu, wenn ich an die zeit dachte, die ich hier verplempern musste, nur damit die hütte lebt. als ich wieder luft bekam, fiel es mir vor die füße, na klar, hier muß leben her, hier müssen bewohner her. was für ein wandel. mäkelte ich vorhin noch herum, "hoffentlich nicht die ganze bande..", hatte ich eingewandt, als der zwerg auftauchte, war ich jetzt ganz und gar anderen sinnes. die zwerge sollten her und das haus auf den kopf stellen, ohne mich, ich würde abreisen. irgenwann komme ich mal wieder her. ist ja mein haus, und hoffentlich erkenne ich es nicht wieder. ich übertrieb, aber der grundton stimmte. "ich werde tipsi anrufen" und ich das tat ich schon nach einer halben stunde. sie war gerade mit nepomuk angekommen, sie atmete, wie man atmet, wenn man zum telefon geeilt ist, "hallo, tipsi", "ja was ist denn, punkt karo", "du hälts mich jetzt sicher für verrückt, aber ich reise ab", "wieso denn das", "ich habe einen koller", "war zu befürchten, eigentlich, alles neu, nicht wahr?", "ja, tipsi, du verstehts mich, aber ich werde schon irgenwann wiederkommen, nur jetzt muß ich erst einmal fort und ich habe da eine idee, wie wäre es, wenn du den zwergen erlaubst in meinem haus zu wohnen und zu feiern. sie werden schon nicht das haus abbrennen, aber es muß etwas leben rein. ich kann das nicht!". tipsi schwieg und ich fragte nach, "bist du noch da?". "ja!, ich habe überlegt. wenn du einverstanden bist, daß die zwerge ins haus können, wird es sie sicher freuen und ich glaube nepomuk wird schon darfür sorgen, das es nicht aus dem ruder läuft, schon wegen der zwergin. wann willst du weg?". als ich angerufen hatte, wollte ich sofort, aber jetzt wo alles gesagt war, fiel last und panik von mir ab und ich sagte, "mal sehen, ich sage bescheid, oder, ist auch nicht nötig, ihr merkt es ja schon. wenn du nur die kerle erst einmal begleiten  würdest. sie können sich dort aufhalten, wo wir nepomuk entdeckt haben, im haus am eingang. das haus in dem ich male, schließe ich besser ab und das haus in der mitte wegen der reisekammer auch". ich merkte selbst, das ich ohne panik, garnicht mehr so freizügig dachte, wie zuvor, aber so schien es mir jetzt vernünftig. ich gewann zeit, behielt zwei häuser und lieh eines den zwergen. tipsi, sah das auch so und war einverstanden. lana würde mich ja ohnehin verstehen, da war ich mir sicher.



"hallo, tipsi",
"ja was ist denn punkt karo",
"du hälts mich jetzt sicher für verrückt, aber ich reise ab"




Sonntag, 18. August 2013

66. fortsetzung "nirgendwo"


"punkt karo, besuch, frau tipsi ist vor der tür, an ihrer seite zwerg nepomuk", tönte es durch den raum und weckte mich, denn ich war beim kritzeln eingenickt, hatte die zeichnungen noch auf dem schoß. da klopfte es auch schon an der tür. "hey, punkt karo, erkenne dich kaum wieder". "hey, tipsi", grüßte ich zurück, "du siehst aber auch ein wenig anders aus", untertrieb ich, denn tipsi, die vor mir stand, im bunten mohnblumenkleid, mit kettchen am handgelenk und schellen an den fesseln, war mir vollkommen neu. "schönes kleid und so..", haspelte ich ein kompliment hinterher. "also, punkt karo, ich will gleich sagen, weshalb ich hier bin, und bitte sieh nepomuk nach, das er sich, ohne zu fragen, hier aufgehalten hat, nicht wahr nepomuk". sie blickte ihn liebevoll an und nepomuk knickste die beine zur seite und verschränkte wieder die hände über den knien, diesmal ganz sanft. "aber, da ist noch etwas ganz wichtiges", sagte tipsi und erwartete meine aufmerksamkeit und ich gab sie ihr. "der nepomuk war nicht alleine hier". "nicht alleine?", mir schwante schon allerei, denn ich hatte die zwergenbande ja bei frau dürr im garten erlebt, wie sie alles auf den kopf stellten. "wer war den noch hier?, oder ist er, sind sie noch hier, die anderen, alle?". "nein, so ist es nicht", beruhigte tipsi mich, "nepomuk hat jemanden kennengelernt, der zufall war es, das ihm eine zwergin über den weg gelaufen ist, im kiefernwäldchen lebt das völckchen, und er hat sich verliebt, der alte. sie sind dann hierher. jetzt fehlt sie ihm, weil er weggerannt ist ohne sie mitzunehmen". "und wo ist sie", fragte ich nepomuk, den ich ansprach, vielleicht redet er ja mal mit mir. er sah mich an und antwortete sogar, "oben, schläft", sagte er. "wo oben?". "zeige ich dir", er zupfte an meiner hose und ich folgte ihm zu dem haus, wo er vorhin, von mir und pluto, entdeckt worden war. "wo ist eigentlich pluto?", da sah ich ihn auch schon. er lag dort vor der tür und bewachte den eingang. "na, so hat sich die zwergin wohl nicht hinausgetraut", dachte ich. als er uns sah, machte er platz und ich folgte nepomuk in das haus. "oben", sagte nepomuk. wir stiegen die leiter hinauf und ich sah zum ersten mal die koje, den schlafplatz hier oben unter der lichtdurchfluteten kuppel. da lag die zwergin im bett und schlief. "schläft", sagte nepomuk und war ganz sanft, "nicht wecken", und sah mich bittend an. "ist schon gut, nepomuk, wir lassen sie schlafen und gehen wieder zu tipsi, vielleicht möchte sie einen tee, dann mache ich einen, und vielleicht gibt es kekse, am besten ingwerkekse". "gut", sagte nepomuk, "ich bleibe, geh". ich stieg die leiter wieder hinunter und ging zu tipsi. "alles in ordnung, sie liegt ihm bett und schläft, nepomuk ist bei ihr, möchtest du vielleicht einen tee?". "oh ja", sagte tipsi, "ich helfe dir!". wir tranken den tee auf dem deck und ich schaute in die ferne. schön war es hier, der blick schweifte über die dünen und ich endeckte einen hirsch, der zu uns herübersah, aber er war weit entfernt. tipsi fragte, "gefällt es dir hier?". "ja, sehr",sagte ich, "wann wurde es denn gebaut?, es erscheint wie neu". "es ist noch nicht lange her, daß richtfest war. ich war dabei und die zwerge auch. lana sagte da zu mir, "tipsi, es dauert nicht mehr lange, dann ist punkt karo soweit, daß er einziehen kann". "das hat sie gesagt?", fragte ich nach. "ja, sie freute sich für dich und als ihr die zeit zu lang wurde, fand sie einen zeitvertreib. sie hat talent zum ballett und bekam eine rolle im film, na ja und schön ist sie auch, nicht wahr, punkt karo?", schäkerte sie. dann wechselten wir das thema. da nepomuk oben geblieben war, nutzte ich die gelegenheit, tipsi nach den zwergen zu fragen, denn ich wußte garnichts von ihnen. "du weißt ja sicher von meinem mißgeschick", sagte sie, "als ich dachte die zwerge seien gebannt und ich sie erlösen wollte und als das nicht ging, sie mit einem wunsch nach ihrem abbild neu erschuf. ich will mich um sie kümmern, habe ich versprochen und sie sind mir ans herz gewachsen. auch wenn es nur lebendig gewordene tonscherben wären, wie sie sich einmal ein mensch ausgedacht hatte, bevor er sie formte. aber ich habe sie danach erschaffen, durch meinen wunsch sind sie lebendig. es gibt auf der erde aber auch  zwerge von der mutter, wie die zwergin eine ist, die oben schläft und die nepomuk, mein wunschzwerg, bewacht, zwerge die nicht der spuk der rhabarberinn sind, die nicht vom menschen kommen, denen kein wesen angedichtet wurde. sie sind gänzlich anders, garnicht mürrisch und rabauken auch nicht. "und hast du auch schon zwergenkinder gesehen", fragte ich dazwischen. "nein, weil es keine gibt. die zwerge sind jung, wenn sie geboren werden, aber keine kinder. sie werden viele hundert jahre alt. erst im hohen alter werden sie runzelig und still, und sind eines tages verschwunden, einfach so". "und wie kommen sie auf die welt?", fragte ich. "also, hör gut zu", sagte tipsi und begann zu erzählen. "in einer nebelnacht am flussdelta erhebt sich aus dem wasser die große weiße frau. sie findet sich im wasser der flüße und taucht erst auf, wenn sie ganz zusammen ist. dann schweigt alles herum und eine große stille herrscht, wie du sie dir garnicht vorstellen kannst. ganz allmählich erhebt sie sich und steht dann aufrecht im wasser, blickt zum mond und stößt einen herzzerreißenden schrei aus, alle schmerzen der welt enthält er, der schrei er weissen frau. sie ist grossbrüstig und dickleibig, hat mächtige schenkel und riesige füsse. sie watet dann, schritt um schritt an land, wobei die flut vor ihr her schwappt. dann, am ufer dreht sie sich nocheinmal zum wasser und blickt zurück, bevor sie an land geht. sie setzt die beine weit voneinander auf und geht in die hocke, dann klatscht sie sich kräftig auf die flanken, sinkt sie zu boden und ruht auf dem rücken, sie setzt die beine auseinander und öffnet sich. aus der großen höhle krabbeln und rutschen die zwerge heraus, eine nicht enden wollende schar. sie versammeln sich am strand. die große weisse frau bleibt am strand liegen, bis sie sich in nebel verwandelt und noch einmal ihre kinder umhüllt, die glimmen und funkeln, als wären die sterne vom himmel gefallen. erst wenn mit der flut das wasser heraufsteigt löst sie sich wieder darin und ist nicht mehr zusammen. erst hunderte jahre später wird sie dann wieder erscheinen. vom strand klingt nun das pfeifen und singen der alten, die holen die jungen und führen sie hierher ins wäldchen. tagelang scheint dann der wald zu träumen. wer dann hinein geht schläft gleich ein". gerade als tipsi die geschichte zuende erzählt hatte, kam nepomuk mit der zwergin zurück und wir schwiegen ersteinmal.





"aus der großen höhle krabbeln und rutschen die zwerge heraus"





Samstag, 17. August 2013

65. fortsetzung "nirgendwo"


"da ist schon jemand", sagte ich, pluto bellte. lana sah mir über die schulter und entdeckte den bewohner. "das ist doch nicht zu fassen, tipsi sollte doch auf die zwerge achtgeben". sie rief den kleinen kerl zu sich, der so tat, als würde er sich fürchten. sein schlottern war überzeugend. lana versuchte ihn zu besänftigen, "komm doch, nepomuk, der hund will dir nichts tun und wir wollen es auch nicht". der zwerg drehte sich um und tat, als schäme er sich. er stand dort mit 
x-beinen und schränkte die hände über den knien, als wolle die linke die rechte erwürgen. "hör mit dem zwergentheater auf", rief ihm lana zu und blickte ihn streng an. "wenn du uns nicht sagen willst, was du hier suchst, dann verschwinde einfach und nimm die pfeife mit, hier wird nicht geraucht!". lana öffnete das fenster und ging dem zwerg aus dem weg. pluto zog ich zur seite und ging mit ihm um die ecke. "der weg ist frei", rief lana, die aus dem fenster nach draußen blickte. das nutzte nepomuk, der alte zwerg und machte sich schimpfend auf den weg, die pfeife zwischen die zähne geklemmt. ich stand vor dem fenster und grinste lana zu, "den sind wir los. was ist das nur für ein mürrisches völkchen". "ich werde mit tipsi sprechen", sagte lana, "sie wollte die zwerge nicht herumstreunen lassen. gut, das die wichte auf der hut sind, wenn ihnen etwas passiert, wäre das furchtbar". "wer sollte ihnen denn etwas tuen?". "im dorf ist es nicht so, wie hier in dem wäldchen", sagte lana, "da schlägt einer gleich zu oder greift zum gewehr. die zwerge haben sie nicht zu gesicht bekommen, nur geschichten. tipsi sollte sie vorstellen, ein fest mit den zwergen und das ganze dorf einladen", zweifelte aber und fügte hinzu "vielleicht".  "wohnt sie denn auch hier?", fragte ich. "ja, tipsi wohnt vor dem dorf, wenn du durch das wäldchen gehst, siehst du auf der anderen seite die alte mühle. es ist etwa eine halbe stunde bis dahin. sie lebt dort mit den zwergen. willst du sie sehen?" "wenn du mitkommst, lana, ich weiß mit den zwergen nicht zu reden. ich glaube, ich habe sie bisher nur brummen und fluchen gehört. bringen sie den einen ganzen satz heraus?" "sei geduldig mit den zwergen", sagte lana, "es waren einmal stumme gartenzwerge, scherben nur, nun richte dich ersteinmal ein, komm wir gehen mal und gucken, ob du alles findest, sonst kommt was nach, direkt in die reisekammer". wir gingen um die häuser herum und sahen hinein. in einem standen rahmen mit leinwänden und das malzeug lag herum. "ich brauche aber auch folie, lana, ich habe..", jetzt erinnerte ich mich plötzlich,".. zuletzt auf folie gemalt", sagte ich und wunderte mich über den plötzliche einfall. die erinnerung kam, das vorgehen war nun ganz klar. "schreib mir auf, was du genau brauchst, und ich besorge es", sagte lana. sie schien zum gehen bereit. "begleitest du mich in die reisekammer?".  "ja!" sagte ich und wir stiegen hinab. die luke blieb offen. unten standen wir in dem kleinen vorraum. ich sah lana fragend an, sie nickte und ich öffnete die tür zur reisekammer. es folgte das begrüssungritual vom bildschirm und es erschienen die menues der angesprochenen personen. "wenn du nicht reisen willst", sagte lana, "dann schließ dein menue, dann wirst du erst wieder gefragt, wenn du erneut eintrittst". ich sah lanas liste und kannte kaum eines der reiseziele. sie waren fast alle in fremden ziffern geschrieben. "deine liste ist lang", sagte ich. "ja, punkt karo, ich bin schon rumgekommen. also, bis bald!". sie hüpfte auf einem bein auf mich zu, als übe sie schon für den nächsten auftritt im film, und küsste mich auf den mund. dann war sie auch schon durch die tür. ich schaute dumm und trottete nach oben. ich fühlte, das ein lang gehegter wunsch gerade sich zu erfüllen begann , der wunsch noch einmal zu beginnen. oben angekommen, räumte ich die farbeimer beiseite und setzte mich vor eine große leere leinwand. ich stellte mir vor, wie ich zuletzt am heiligen gemalt hatte, im dunklen hühnerstall im winter, einen hut mit kerzen auf dem kopf. "mir soll kein heiliger mehr auf die leinwand kommen!", dachte ich und sah voll entzücken die nackte lana dort erscheinen, nicht wirklich, nur als spuk und ich verwarf die idee sie auch gleich, sie jetzt zu malen. statt dessen ergriff ich eines der kleinen weissen brettchen, die neben mir lagen, um darauf zu zeichen. ich fand bei den stiften auch einen kugelschreiber und begann damit, das haus aus der erinnerung zu kritzeln, wobei immer wieder die zwerge dazwischen kamen.
                                                                              




"ich fand bei den stiften auch einen kugelschreiber
 und begann damit, das haus aus der erinnerung zu kritzeln,
 wobei immer wieder die zwerge dazwischen kamen."




Donnerstag, 15. August 2013

64. fortsetzung "nirgendwo"


lana auf erden und punkt karo betraten die reisekammer um 15 uhr. pluto wurde nicht protokolliert. "lana", sagte ich erstaunt, "die kammer hat sich aber verändert". sie lachte. ich wollte sie noch fragen, ob sie daran beteiligt war, sie und tipsi, die andere rhabarberinn, lies es aber bleiben, da ich fürchtete, daß, wenn ich sie als die rhabarberinn ansprach, sie heimweh bekommen könnte und sich entschließen würde wieder davonfliegen. lana sollte auf erden bleiben, das wünschte ich mir. lana hatte auch so verstanden und verneinte. "wir haben nur das problem mit der zeitschwankung gelöst", sagte sie, "niemand gerät mehr in gefahr zu schrumpfen. die reisekammern selbst, die hat der buchhalter bauen lassen". wir traten vor und da wurden wir erkannt. vom bildschirm auf der tür grüßte freundlich der avatar mit dem antlitz des buchhalters. "ich wünsche eine gute reise, lana auf erden und punkt karo!". danach erschienen nebeneinander zwei listen mit reisezielen. lana wählte die option, "reise mit punkt karo", und sagte zu mir, "da ist deine loft angezeigt". ja, da stand an der spitze der liste "punkt karo atelier", gefolgt von den zielen, die ich schon bereist hatte, und das war nur eines, die schule der signaturen. lanas liste hatte ich nicht angesehen und jetzt war sie nicht mehr zu sehen. ich tippte auf das ziel und die tür verschwand augenblicklich, ein öffnen war nicht mehr nötig. die tür stand dort nur noch als attrappe, als halter und umrahmung des bildschirms. wir standen zwischen blühenden büschen an der see. wir standen zwischen hagebutten und sandorngestrüpp, durch das sich ein weg fand. lana zeigte auf die wegmarke , "siehst du, hier geht es lang". dort stand unter dem pfeil auf dem pfahl "punkt karo atelier". der weg strich an den noch weit entfernten dünen entlang und bog dann hinauf und näherte sich einer hohen düne. dabei durchquerte er eine ausgedehnte senke, aus der vögel aufflogen und wieder landeten. dann sah ich ein kiefernwäldchen, das hinter den hohen dünen versteckt aufwuchs. es ragte etwas hervor, das aussah wie ein schiff auf dem trockendock, aber wie es sich heraustellen sollte, ein haus war. "ist es das?", fragte ich lana. "ja das ist das atelier von punkt karo", antworte sie und strahlte. "das ist aber keine loft, das ist ein riesiges haus", wunderte ich mich. wir waren nun nahe genug heran, daß ich es in seiner form und größe besah. es war ein langhaus, auf stelzen gestellt mit einem umlaufenden gang. um es zu halten, war es mit schrägen balken rundum gesichert. ich konnte nicht fassen, das es mir gehören soll und zweifelte laut, "das kann doch nicht mein haus sein, lana?". "doch, mein lieber punkt karo, es ist ganz allein dein haus!".  "aber wer hat es dahingestellt und wer gab den auftrag?". "na, kannst du dir das nicht denken, der buchhalter war es. du hast den maler so fürsorglich im ohr getragen und den buchhalter vor dem absturz bewahrt. er wollte dir danken und dich erinnern, das du selbst, punkt karo, der maler bist". wir standen nun beim haus und ich konnte aufrecht darunter durchgehen. es war ganz aus holzplanken gezimmert, wie ein grosses schiff, nur das kein kiel zu sein brauchte, da es nicht auf das meer musste. statt fenstern nur die aussparungen an der äußeren umlaufenden brüstungswand aus hochgestellten planken, die auf fingerbreiten abstand gesetzt waren. "da wird aber der wind durchpfeifen", dachte ich. ein dach trug es nicht, doch ragten durch das deck drei gleiche häuser, wie große kajüten ragten sie empor und überstiegen die brüstung.  das mittlere haus ging hinunter zum erdgrund.  keine tür führte hinein, in den unterbau. "das ist die reisekammer, da unten", sagte lana, "du kannst sie von innen erreichen".  wir ging zur eingangstreppe, stiegen hinauf und betraten das geräumige deck durch die ausgesparte öffung in der brüstung. pluto stand an der schwelle des ersten hauses und schaute hinein, ich stand hinter ihm und schaute auch hinein. "na vorwärts!", hörte ich lana sagen.                      
                                  




"dann sah ich ein kiefernwäldchen,
 das hinter den hohen dünen versteckt aufwuchs.
 es ragte etwas hervor, 
das aussah wie ein schiff auf dem trockendock"