Freitag, 25. Januar 2013

29. fortsetzung " nirgendwo"


ich verliere ständig etwas. letztlich verliere ich alles. ich verliere das bewusstsein. alles findet im schatten statt. in der dunkelheit sehe ich nichts. die beiden waren voran gegangen und schritten langsam vor mir in den garten, der erblüht war. in diesem jahr schienen mehr blumen aus der erde geschlüpft als vorher. ich schaute und blieb zurück. ich bemühte mich um ein bild, das ich als wichtig empfand, das mir aber garnicht als bild abhanden gekommen ist. wie kann man etwas vermissen, das man nicht mehr denken kann. ich hatte das gefühl, das es da sein musste, wusste aber nicht wie es aussah, wie es roch oder schmeckte . ich suchte verzweifelt nach dem bild, das ich nicht kannte. ich weiss aber, es muss da sein, sonst wäre es mir nicht so wichtig. ich versuchte es mit verstellten augen. ich zwinkerte. da tauchte  aber ein anderer garten auf. ich sah hinüber über die wiese hinweg. es war ganz hinten am umgegrabenen land. der vogel schrie. die alte hielt in der hand und zog den hals heraus und drehte ihn herum. der alte sah zu. ich verstummte. dann warf sie den vogel auf den boden und er stach mit dem spaten hinein. nun wusste ich, was eine zeitlupe ist. sie funktionierte auch so, wie eine lupe. ich wurde hineingezogen. hätte der hahn nicht geschrien, wer weiss, wo ich noch hineingeraten wäre. ich tauchte wieder auf und suchte die anderen. der schwarze schwatze noch mit dem buchhalter. als er mich bemerkte, winkte er mich herbei. ich kam heran, hatte aber keine lust zu reden. im vorbeigehen nahm ich meine jacke, die er mir entgegenhielt. ich lies mich ins hohe gras fallen und schob sie mir unter den kopf. ich roch das heu, das auf der anderen seite lag. ich robbte hinüber und grub darin, bis ich nackte kleine mäuse fand. sie waren rosa wie schweinchen. wenn ich sie mitnähme und jemand in den briefkasten würfe, wäre ich ein mäusemörder, wenn ich eine schnecke im taschentuch unter wasser hielt, auch ein mörder. ich blieb liegen, streckte die hände nach hinten und lies die mäuse krabbeln. wenn jetzt ein grosser vogel vom himmel stürzte, würde er mir aus der hand fressen. schnell schob ich sie zurück ins feuchte warme heu. ich schloss die augen und spürte die glühende sonne durch die lider scheinen. ich verbannte alle taschentücher aus den händen der jungen. an die alten wollte ich nicht mehr denken. die stille trat in die mitte und nahm grüße entgegen. das war alles.   

Donnerstag, 17. Januar 2013

1. fortsetzung "GERHARD 1947"


das haus war sehr klein, aber der garten riesig. vor dem haus war der hof gepflastert. der nutzgarten erstreckte sich längs der kunoldstrasse bis zur drusel, die unter der strasse die seite wechselt und sich weiter schlängelt. von der haustür aus führte der hof nach unten am schuppen vorbei, der rechts lag und als hühnerstall diente. die hühner kamen von der rückseite über die leiter hinein. auf der andern seite des weges der sich am ende des hofes ergab, lag eine feine gartenlaube, ein pavillon aus holz, annähernd rund, unter dem  hohen butterbirnenbaum. rote grütze mit sago im sommer oder grüner wackelpeter.

"GERHARD 1947"


1947 ist mein geburtsjahr. an die folgenden ersten jahre habe ich keine wahrnehmbare erinnerung. so erinnere ich mich ersatzweise an einiges, das man später darüber erzählte. die mutter erzählte gern, ich hätte beim schlafen mit einer hand das ohr und der andern den penis festgehalten. die kammer zum schlafen war winzig und das einzige fenster ging zur wand des nachbarhauses. der gang zwischen den häusern war etwa einen halben meter breit. also war es dunkel. unter dem zimmer wurden die kohlen gelagert, die durch eine bodenklappe eingeschüttet wurden. ich konnte nicht atmen und kam ins krankenhaus. mein grossvater sorgte sich und ich spürte es. ich versteckte das nicht aufgegessen brot im nachttisch. die krankenschwester zwang mich. es schmeckte alt und muffig. ich öffnete die klappgitter am nachbarbett. das kind stieg heraus. ich wurde geschimpft. bevor ich in die schule kam, musste ich nochmal ins krankenhaus. ich wurde durch den gang geschoben und der blinddarm wurde herausgeschnitten. ich bekam einen bruder und eine schwester noch bevor ich in die schule musste. am schultor wurden haferflocken verteilt. kleine tüten zum probieren. eigentlich zu trocken, aber ich hatte genug speichel und nach backenzähne. ich war überzeugt, und hatte seitdem die gewohnheit, nachts beim lesen im bett haferflocken, mit zucker und kakaopulver vermischt, zu futtern. wenn das licht ausgeschaltet war, las ich mit der taschenlampe heimlich unter der decke.

Montag, 14. Januar 2013

28. fortsetzung "nirgendwo"



man weiss nie, ob sie sich verstecken. gerade als ich folgen wollte, blitzte es auf. etwas hatte den spiegel von der rückseite her durchschlagen. ich schrie auf. die scherben steckten auf mir. ein splitter bewegte sich und näherte sich meinem herzen, so das ich ihn hinauszog. ich blickte darauf und fand dort nicht das ebenbild, sondern sah, dass die bilder aufeinanderfolgten. ich sah mich selbst, aber ihn bewegung. das was ich sah, gefiel mir nicht. die gesichter, über die ich hinwegstapfte, waren mir zu gut bekannt, so das ich sagen muss, ich trat auf die gesichter meiner freunde, lief auf ihnen herum, dabei hieb ich mit einen stock auf den kopf meiner frau. weder die hiebe, noch die tritte, obwohl ich wie rasend immer wiederholt zuschlug, hinterliessen verletzungen, ja meine wahnsinnigen taten wurden vollkommen unbeachtet hingenommen, nein, sie wurden garnicht wahrgenommen. ich erschöpfte mich in meiner raserei. als ich einen augenblick nach unten sah, bemerkte ich, das ich noch nicht getroffen war. das scherbenfeld hatte mich zwar umzingelt, aber nur diese scherbe, die ich in meiner hand hielt, war unter die haut geraten und hatte somit getroffen. der reihe nach. erst einmal, welcher aussenposten?, welche ansicht konnte von da draussen wirken?, das ich mich gespickt sah, von einem geschehen betroffen, das den spiegel zerbersten liess und die scherben in geordneter form auf mich zu schleuderte, wie pfeile, statt mich chaotisch torkelnd zu erreichen. ich akzeptierte, das es aussensichten gab, die mich erreichten, ohne das ich selbst ausser mir war. oder war ich in dem gebirge der ereignisse herumgeklettert und hatte die gelegenheit mir selbst einen festen posten zu reservieren, mich selbst dort zu belassen, um mich aus der ferne zu informieren.  konnte ich aus mir heraustreten und in der zwischenzeit herumlaufen. ich dachte auch an die möglichkeit, das ich bloß einer idee folgte, ich also garnicht wirklich getroffen werden sollte. aber ich hielt ja die scherbe in der hand, hatte den beweis in der hand. wenn das wirklich geschehen war, war die folge, das ich von den scherben getroffen würde, unaufhaltsam und nur die raserei im zentrum meiner wahrnehmung, erzeugte die scheinbar angehaltene zeit. ich stand keinem täter gegenüber, der innehalten konnte, den ich beeinflussen konnte, den ich überrumpeln konnte, den ich mit meinem blick lähmen konnte. ich hatte nur die wahl zu irren oder einer beschleunigung meiner wahrnehmung. auch wenn es mir möglich wäre, die beschleunigung soweit voran zu treiben, das ich zeit für ein ganzes leben gewönne, könnte nur das gift des schlafes mich vergessen lassen und die scheinbar gewonnene zeit vergolden. die ausgangssituation, erinnerte ich, war, obwohl ich aufschrie, unerschrocken. der schrecken kam nicht an, nur die erschöpfung, der die lähmung folgte, nicht die müdigkeit, wie nach dem tagwerk. die scherbe in meiner hand zeigte mir nun nichts mehr und ich senkte den arm. wäre es nicht an der zeit, das es geschähe, das nun der angehaltene rest mich durchbohrt. ich dachte, wenn es mich nicht schreckt, was ist es dann. war es eine art von botschaft, eine warnung?. von wem kam sie?. ich konnte mich des geschehenen, das mir der blick in die scherbe vermittelt hatte, nicht erinneren, eher hatte es den anschein, das es geschah, als ich es beobachtete. ich entschied mich. ich wollte es beenden. es war einen moment ruhe. dann prasselten die scherben an mir ab.  die energie, die sie trugen, hatte sich erschöpft. zurück blieb der schrecken, vor der möglichkeit des bösen.