Freitag, 22. März 2013

34. fortsetzung "nirgendwo"



der junge stand traurig neben der tür und schaute ins leere. der geöffnete geldbeutel hing um seinen hals. ich ging an ihm vorbei. "wie kann man so traurig sein?" dachte ich, da ich ihn nicht fragen wollte. draussen scherzten die diebe. ich lies ihn in seiner ewigkeit zurück und schlüpfte zwischen den Vorhang. ich hielt ihn zur seite auf und stand unter der geschlossen mitte ebenfalls still. ich wandte den blick nicht zurück zur tür. der traurige junge hatte sich hinausgeschlichen. ich sah nichts und wartete. als es noch einmal zu brummen begann, dachte ich, der fischtäuscher hätte sich vor mir hereingeschlichen und wolle mich wieder foppen. aber es war diesmal viel lauter, und als die kette klirrte stand er vor mir auf den hinterbeinen, der bär. der mann der ihn hielt, hatte einen goldzahn im mund. "wo willst du hin?" fragt er. "ich will zum maler", antworte ich. "gut, dann geh weiter". er beschäftigte den bären und lies mich durch. es wurde eng und zog. der wind blies so kalt, das ich zurück wollte. aber ich konnte mich nicht wenden. der boden war weich geworden und ich hatte keinen halt. ich spürte die enge, aber mit den händen fand ich sie nicht. "im ersten kabinett", ertönte die stimme eines ansagers, "finden wir den maler der giftgrünen bilder, der tapeten mit den silbernen streifen, keine sonnenaufgänge, überhaupt keine landschaften, landschaften werden wir hier nicht finden. der maler ist noch nicht eingetroffen, wir werden warten und sehen". er machte eine kurze pause und fragte, "was werden wir sehen?"  ich sah einen raum, der wie angesagt, tatsächlich giftgrün war, so absolut grün, das ich mir wie ein nacktes ferkel vorkam, das ich auch war. meine kleider waren nicht mehr am leib. aus dem nebel gekommen, wurde ich jetzt gepudert. die puderquasten kamen aus der wand. auch die fingernägel waren grün lackiert und der ring am finger ein grüner kristall. die arme, jetzt regelmäßiger und auf und ab schwingend, tanzten ein ballett. einer hatte es auf meinen hintern abgesehen und ihn so häufig gepudert, das es dort besonders staubte. der ansager zeigte sich, ein hofkapellmeister mit taktstock, und wies mir platz an auf dem einzigen sessel. er verbeugte sich und wiederholte etwas allgemeiner, aber immer noch feierlich, "wir warten auf den maler der bilder". da sass ich nackt auf dem thron. soll der maler sich nur zeit lassen, dachte ich. vielleicht bin ich dann schon wieder gekleidet. da ich mich aber wohl fühlte, nackt und gepudert, war es mir garnicht mehr wichtig, ihn bald zu sehen. wenn er noch eine zeitlang fortbliebe, wäre mir das auch recht, denn ich begann mich zu amüsieren. die puderquasten waren nun komplett mit leibchen und bändchen. sie kicherten äußert taktvoll. wie reizend und ich schämte mich auch nicht. als dann eine trompete blies kamen sie etwas durcheinander und fielen zu boden. ich eilte gleich hin und hob sie auf, warf sie wieder in die luft und freute mich, wenn sie auf mich herabfielen. einige male noch schmetterten fanfaren, aber wen sie auch anzukündigen mochten, er erschien nicht. ich fläzte mich auf dem thron und dachte, "ei, bin ich doch schläfrig" und war schon eingeschlafen.  



Montag, 18. März 2013

33. fortsetzung "nirgendwo"



ich war unruhig, zerbröselte den kuchen und warf ins gras, zu den spatzen. die mandoline zitterte immer lauter und die gesänge des fischtäuschers machten mich traurig und madig. die frau spielte die mandoline, als stünde sie einer kinderschar vor. sie marschierte los und die kleinen gekämmten püppchen folgten ihr. der fischtäuscher war das krasse gegenteil. sie spielte fröhlich. er sang klagend. "des malers altes kleid hab ich geflickt mit seegarn:hab seinen hut getragen gern: für ihn fand ich ein euter: hab's ihm auf den kopf getan: ich trank aus seinem kopf: die lausigen säfte: bis er sich besser fühlte: hab ihm die hand gehalten: er war schon hinüber gegangen: das wollte ich nicht glauben: habe ihn in die decke gehüllt". von da an verstand ich ihn nicht mehr. er sang in fremden lauten. keine worte. ich war ja schon aufgestanden, entfernte mich rückwärts, schritt um schritt, sah wieder den aufmunternden blick, das augenzwinkern des buchhalters, sein einverständis, wurde darüber ärgerlich, schüttelte den kopf, nein. der gartenfrieden verregnete. ich verstand nichts mehr. das gespräch hatte tonstörungen. das wetter schlug um. der vogelmörder war in den garten gedrungen, hatte dem schwarzen ein seil um den hals gelegt und zerrte ihn hinüber auf sein land. der buchhalter sah zu und zog den hut auf. er sah in die wolken. die frau rannte aber hinterher und schlug mit der mandoline nach dem mörder, dann verschwand sie hinter einer wand und kam nicht wieder. ich konnte nichts tuen. es spielte alles nur noch auf einer leinwand auf einem acker. ich suchte hilfe und wandte mich ab. da sah ich den hühnerstall unverändert im blühenden garten. da sah ich schnell zurück und alles war wie vorher. sie sassen an der kaffeetafel, als sei nichts geschehen. ich stützte mich und lehnte mich an den birnbaum. was hatte ich. es half mir nichts, das die schreckensbilder verschwunden waren, ich wollte auch nicht zurückkehren und davon erzählen. das fröhliche erschien mir nun auch wie ein trugbild. so schlich ich in den hühnerstall und weinte bei den hennen, die das nicht störte. 

Donnerstag, 14. März 2013

32. fortsetzung "nirgendwo"




die wand war durchbohrt. das geweih steckte in den brettern fest. er hatte kaum anlauf gehabt. er hatte eigentlich keinen anlauf gehabt, ausser das hinterteil quer zu stellen und krumm gegen die wand zu schmettern. als er das geweih nicht mehr zurückziehen konnte, weil es feststeckte, gab er auf. was dort verendete und stank war nicht mehr da. auch fell und knochen waren nicht mehr zu finden. die tür stand jetzt offen. ich stand unter dem schädel und starrte auf die brütende henne. sie nickte. wenn niemand käme, würde sie das ei ausbrüten. der buchhalter stand draussen und als er sah, dass ich dastand, ging er. das stroh auf dem die henne brütete glänzte golden. der grünweiße kot klebte und buk fest. die farbe auf der leinwand war längst trocken. die leinwände standen an die wand gelehnt. auf dem sims, den sie bildeten, bauten sich kleine gebirge aus hühnerkacke auf. ein schillernder käfer krabbelt da durch. das vordere bild des stapels war geschändet. was ist nein, stand dort ohne fragezeichen. ich wischte über die leinwand. es war nur kreide und staub. dahinter erschienen augen, nase und der rest blieb noch verborgen. aber wo war der maler. eine andere henne war hineingeflattert und brauchte zeit zur ruhe zu kommen. ich bemerkte den vorhang neben mir erst, als er sich bewegte. wenn dahinter der maler ist, dann hält er sich atemlos still verborgen. da kam der buchhalter zurück und stieg durch die tür als er sah, das ich mich nun dem zuwendete, weshalb ich hierher gekommen war. da nun aber trotz zweier gäste der maler immer noch nicht atmete, kam mir ein grusel und griff mir ins haar. der buchhalter aber trat in die mitte und zog den vorhang zur seite. das licht, das durch die tür eintrat reichte nicht weit genug, so das ich ins dunkele blickte und ersteinmal nichts sah. aber ein brummen hörte ich. ein mann trat aus dem dunkelen und kippte mir einen bären ins gesicht, der sich verneigte und brummte. der mann trug eine seefahreruniform, eine zu grosse. der hagere mann im blauweissen stoff grinste und schien freundlich. er streckte mir den bären entgegen, aber als ich ihn nehmen wollte, schüttelte er den kopf und zog ihn zurück. der buchhalter, der bisher noch nie geflüstert hatte, teilte mir sehr leise, ich musste mich hinüberbeugen, mit, der sei nicht der maler, nein, das sei ein guter bekannter, ein freund des malers, das sei der fischtäuscher. "ah", sagte ich, "den kenne ich, aber irgendwie habe ich ihn nicht wiedererkannt", ich fuhr fort, "ja, den fischtäuscher kenne ich". und ich erinnerte mich. es klapperte, als die tapetentüren, die mir ihn den sinn kamen, aufgestossen wurden. die hexenbänder öffnete sie zu beiden seiten. und ich war dem fischtäuscher nachgelaufen, der immer voraus war, und seine scherze hinter die nächste tür trug. nun sah ich ihn also wieder und hatte ihn nicht erkannt. wieso trug er die uniform des wasserhelden. ich werde ihn das mal fragen, aber nicht jetzt. der buchhalter hatte bereits nach dem maler gefragt, "ist er noch da?" hat er ihn gefragt und der fischtäuscher antwortete beleidigt "na klar. ich hab ihn nicht mitgenommen. ich darf ihn doch sehn, wie abgemacht, jederzeit sehen, und auch hierbleiben, zu seinen füssen ein bett bereiten und schlafen und träumen". er seufzte. der buchhalter gab sich milde und wollte ihn nicht mehr schelten. "er hat ihn schon einmal weggetragen", raunte er mir zu. "ich musste ihn mit dem wagen zurückholen" ergänzte er hörbar. "nur das eine mal, um abschied zu nehmen", rechtfertigte sich der fischtäuscher. dann schien er zornig und beinahe wäre es aus ihm herausgepoltert, was der buchhalter aber verhinderte, denn er drehte kopf zur seite, um dessen blick auszuweichen. was für eine geschichte, und weshalb die vorbehalte. der buchhalter sagte nichts, aber mir war klar, er wollte das stück auf seine weise in szene setzen und erlaubte nicht, das es unbedacht ausgeplaudert wird. ich spürte das erste mal ein unbehagen, über die art und weise, wie mir die geschichte nahe gebracht wurde. "wir gehen später noch einmal rüber", sagte der buchhalter und lies den vorhang wieder schliessen. wir folgten ihm und kamen gerade recht zur kaffeetafel, die die frau gedeckt hatte. der fischtäuscher begrüßte sie mit einem kuss auf den mund, dann küsste er den schwarzen, mir gab er einen kuss aufs ohr, der buchhalter bekam garkeinen.



Donnerstag, 7. März 2013

31. fortsetzung "nirgendwo"



das nebelhorn blies. aber ich konnte nicht aufstehen. ich versuchte es, aber es hielt mich am boden. ich lies mich in ruhe und meine nasenspitze wurde kalt. der nebel umhüllte den garten, den park, das schloss und alle flüsse, den größten der flüsse. er senkte sich vom himmel. meine nase steckte in der erde. da pflanzte sich eine hortensie daneben und duftete. ich bat sie woanders hinzuziehen, da ich das tal hinabsehen wollte, wenn der nebel verschwunden ist, obgleich er noch immer nässer und schwerer wurde, salzig roch und auch wieder dieses nebelhorn krach machte. die hortensie blieb und mir blieb nichts übrig, mich ruhig zu halten, da ich immer noch nicht losgelassen wurde. was konnte eine umarmung bedeuten, die so fest war, so umfänglich, und von unten kam. eine weile geschah nichts weiter. dann aber fühlte sich die umarmung an, als läge ich am leib einer milchigen frau. es roch so unverwechselbar süß. da ich nichts sah, bildete ich mir ein, das mich ein kühler schneeweiser leib berührt. und ich sah meine geliebte fern im tal auf einem fahlen ross. ich konnte nun den kopf wenden und die nase schnupperte erst einmal keine erde, sondern wieder frische luft. ich ärgerte mich nun im gras zu liegen. da tauchte der buchhalter verkehrtherum auf. er hing mit dem kopf unten über mir. "soll ich dir den maler zeigen? du kannst dich erinnern? wenn du dich nicht erinneren kannst, solltest du den maler sehen." ich überlegte. was ich ihm vorwerfen wollte, konnte ich nicht. ich war es dessen nase tief drinn steckte. ich wollte sie mir abwischen, schlug aber mit dem arm gehen ein hindernis. von unten war ich zwar losgelassen, doch nun an der hüfte eingekeilt, so dass ich mich nicht gleich drehen konnte. ich ruckte herum und kam auf den rücken zu liegen. es waren die füße des schwarzen, die mich hinderten. er stand aufrecht über und hielt den buchhalter, der ja kleiner war, viel kleiner war, denn der schwarze war ein riese. er hatte den buchhalter an die knöchel gepackt und lies ihn an seinen gestreckten armen herabhängen. deshalb sah ich ihn verkehrtherum. der verkehrte kopf redete weiter und erneut kam er auf den maler zu sprechen. "der maler", sagte er "ist etwas ganz besonderes". ich lag ja nun auf dem rücken und da ich mich fast schon wieder wie ein faulpelz räkeln konnte, froh war, das die erde mich nicht genommen hatte und die hortensie nicht mein grab schmückte, ging ich schliesslich auf seine ansprache ein und fragte, "was den für ein maler, hier im garten oder ist einer zu besuch?" "nein", sagte er "nicht zu besuch. er ist da, schon immer, er war schon da. und ich habe es nicht übers herz gebracht ihn fortzugeben". sein kopf war schon ganz rot vom herabhängen und da dem schwarzen die kraft ausging, lies er den buchhalter wieder hinab auf den boden, wo er sich hinsetzte. der schwarze blieb stehen und verschränkte die arme vor der brust, wie ein haremswächter. so stand er da, als bewache er den eingang. ich setzte mich auch und betrachtete den buchhalter. der zeigte ungefähr, ohne hinzusehen, nach hinten, wobei sein arm wie ein wetterhart herumirrte, was er wohl bemerkte, den er blickte ihm nun nach und zeigte dann genau auf die bretterbude aus der gerade ein huhn herausflatterte und lärmte. "da drinn kannst du ihn sehen, den maler".