Dienstag, 12. November 2013

77. fortsetzung "nirgendwo"


ich blieb immer weiter zurück, konnte nicht mehr folgen, nagte am zweifel, artig das alte brot kauend, ein stilles mäuschen im weiten feld. der trupp war mir entfleucht. die rhabarberinnen schnatterten, aber ich hörte sie nicht mehr. der buchhalter, als wandersmann erschienen, eilte voran. wohin so eilig. oh je, das feld, das streckt sich und mäuse, kleine mäuse sitzen starr. ich luge über die krume und groß ist sein schuh, er tritt und tritt. was für ein kerl. sieh da, es ist der erbsenstreuer, er führt falsch. es ist der falsche, der da führt. "halt, lana, halt!, nicht weitergehen!". mein mäuseruf, ist doch nur feines fiepen, schrill, dann starre ich wieder. wie sie eilen. wie fettig die krume an der hand klebt. ich grabe, komme ich je wieder hier raus?, furche um furche, umlaufe jeden krümel. die glimmernden steine in der erde. so schön. die eisblumen am fenster, sind die ganze woche gewachsen. da ist ein sprung in der scheibe. das feuer geht aus. morgen wird es wieder brennen. ich wackele im bett. das baby schläft noch drüben. ich bin allein. der wind rüttelt irgendwo. was ist, wenn es nicht mehr hell wird. ich kann nicht raus. opa schläft neben oma. ich bin klein, wie eine maus. das weiß ich nicht. ich wachse zu schnell. ich bekomme keine luft. dann holen sie den arzt. ich bin wieder zurück. der opa hat geweint. bin doch gesund und huste nicht mehr. wie die quarzlampe gut riecht. "gerdchen", ruft opa, "wir gehen in den wald". oh ja, und wie wir in den wald gehen, ist schon wieder sommer. und opa nimmt mich überallhin mit. ich träume schon. "das jungchen hat wohl schlapp gemacht!",  sagt der buchhalter und beäugt mich. die rhabarberinnen stehn mit ihm kreis. lana kniet neben mir und legt mir den kopf hoch. ich fühle mich so leer. hab ich denn hände? ich versuch's erst garnicht. "ihr dürft ihn aber nicht im feld begraben!", schimpft der schwarze vogel. "ja, sei ruhig, das wollen wir auch garnicht", antwortet der buchhalter. "lana, ich bin so schwach", hoert sie mich?, hab nichts gesagt. opa war mit mir beim schwarzwaldmädel. haben die schöne hüte gehabt, mit roten kugeln. die rhabarberinnen summten schon. ach, bitte, bitte, summt, weißt du, so wie es summt, wenn bienen vor den blüten stehen. "lana, hast du mich verloren?". "nein, punkt, du bist nicht tot". "lebe ich?". "ja! bald spürst du es." das bienchen summte garnicht fein, es brummte gar und verschluckte sich. rückwaerts fliegt es, auf zur nächsten tüte. leckereien. die bonbonreste in der tüte für den fünfer. was ist da alles drin?, "i gitt!, eins ist ranzig". "was redest du?"  "ach lana, war beim knusperhäuschen, bonbonreste kaufen". der himmel verfinstete sich. "da, der erbsenstreur will mich holen!". "was redet er nur, das jungchen?". "er ist es nicht, er greift in die tasche, sieh doch, lana, er greift, um erbsen zu streuen". ich kann sie riechen. die fette erbsenmast. die schale platzt. da springen alle mann auf einmal aus der erde. hui! wie das weht. sie springen neben mir heraus. einmal noch. wieder alle. und noch einmal. wieder alle. "du nimmst ihm das licht, buchhalter, beug dich nicht so tief hinab". da fährt er hoch, der kopf. und wieder scheint die sonne auf die vogelscheuchen. das feld ist umgepflügt. die krähen finden reichlich futter. "tragt ihn, fragt ihn", schnatterte lana den rharbarinnen zu. die fragten mich zwitschernd, wie das vöglein, das hoch über dem feld steht. "willst du hoch zu mir?". "ja, vöglein, ich will hoch dir!". da wurde mir leicht. ich lag auf weichen kissen und lana folgte. ich sah ihr liebes gesicht ganz verkehrt, ach wie lustig das war. "wohin geht die reise?", fragte ich frech. "ach", sagte lana,"wir ziehen so durch's freie feld und wenn's dir besser geht, kommen wir vielleicht, vielleicht, na, mal sehen, jetzt ruh dich noch!". der buchhalter sah sich nach mir um, "hat wohl wenig gegessen. nicht gefruehstueckt. ja, ja!". ich sah ihn garnicht gern, aber er wird es ja wohl sein, der buchhalter, ja, er ist's, denn als ich nochmal blinzelte, da blinzelte er zurück, der kerl.    



Samstag, 2. November 2013

76. fortsetzung "nirgendwo"


ich war im oberstübchen gelandet und äugte vorsichtig aus dem fenster, so wie einer, der nicht gesehen werden will. aber kaum sah ich heraus, traf ich lanas blick. alle standen vor dem wirtshaus, das jetzt ein ruhiger ort war. tische und bänke waren ausgeräumt. eine lange bank, an der wand beim eingang, hatte man stehengelassen. da saßen die männer nebeneinander. da sie keine ahnung hatten, warteten sie nicht. die frauen versorgten sie, brachten sie abends nach hause und morgens wieder hierher. das war nun die regel. eines tages, es war wohl eine woche vergangen, daß ich im oberstübchen saß, unentschloßen, mit schlechten gewissen, lana und die anderen warten zu lassen, da lärmte es im oberen flur. die schnauzbärte hatten die erbse im ausguß verloren. da war ihr bad mit dem führer beendet. sich gegenseitig die schuld zuweisend, polterten sie die treppe hinunter, nur das handtuch umgebunden. sie bekamen gar nicht mit, daß das wirtshaus ausgeräumt war und waren schon am ausgang, als sie da den buchhalter bemerkten, der dort mit den anderen seit tagen stillstand und darauf wartete, das ich mich doch noch entschlöße. sieh an, dachte ich, es geht doch noch etwas voran. das wunderte mich, denn  immer wenn ich aus dem fester sah, standen sie still und warteten, nur lana erblickte mich jedesmal. sie stand neben punkt karo, der nicht gut zu sehen war, er stand mit dem rücken zu mir. er schien unentschlossen, steckte sie hand in die tasche, zog sie wieder heraus, strich sich durchs haar, wie ein aufziehmännchen, das hakte. lana deutete mit beiden händen auf punkt karo, sah mich fragend an und hob die schulter zur frage. "komm doch endlich" schien sie sagen," punkt karo will ohne dich nicht weitergehen und wir auch nicht. sollen wir ewig hier unten stehen?" die schnauzbärte hatten sich, vor dem buchhalter flüchtend, über den haufen gerannt, ohne erbse, ohne führer, ohne kleider. der buchhalter nahm die beiden an die hand, zog die nach vorne gebeugten schlotterten nackten, die sich kaum sträubten hinter sie wendetür, wo sie ins nichts fielen. er schloß ab und schaute vergnügt, als er zurück kam. ich versteckte mich nicht mehr hinter der scheibe, sondern öffnete das oberstübchen und ließ, tagelang eingeschlossen, endlich luft hinein. "lana", rief ich und zeigte auf punkt karo, "bin gleich zur stelle". punkt karo sah nach oben und sagte, "lana, wir können gehen!"