Freitag, 24. Januar 2014

86. fortsetzung "nirgendwo"


die nacht über regneten wir uns aus, über dem land und über dem wasser. der schwarze regen lagerte sich auf allem. manchmal wischte man trotzdem über die fläche, legte den boden frei, bevor er wieder zufiel. die verrußten scheiben standen vor der mittagssonne. draußen schmolz der schnee, der schwarz dahinfloss  die raben sah ich nicht mehr. die schwarze marie schöpfte die brühe eigenhändig aus dem kahn, der immer noch dort angeleint da lag. ihr pelz hing wie nasses gefieder an ihr herunter. als er ihr zu schwer wurde,  streifte sie ihn ab.  wir wälzten uns in einer kuhle  im schlamm und verkrumpelten uns, bis wir schliesslich voneinander abliessen und mitten im schlamm klares wasser fanden. ein kleines diamantklares rinnsal teilte uns mitten durch, wie ein scharfe klinge. die schwarzen hälften fielen auseinander und schmolzen dahin, wie der schnee schmolz. marie wartet ab, bis der schmale fluß sich über sie erhob und prustete das wasser, das eindrang, heraus. ich auch. wir streiften die sachen vom leib und wünschten uns badeanzüge. die wurden gebracht. es eilten diener herbei. ein karren voller melonen stellte sich auf. radios gingen an. ein waldhorn blies wie verrückt. wir tanzten. dann wurde gegessen. die jahre vergingen. das alte jahrhundert tickte. marie trug einen weissen fuchs um den hals auf der schulter. hoh!. bald nach dem kaiser. die fahnen und das blech. die maibowle und der jubel. frenetisch. ich hielt mir die ohren zu. nicht so laut. dieses jahrhundert ist mir zu laut. und doch mußte ich hier aussteigen. "hat der rabe dich gebracht?". was meinen sie damit? ich weiss nicht, wem ich glauben soll. ich habe angst und friere. das kohlenkind liegt hustend im bett. die scheiben mit eisblumen versehen. nun sagt mir keiner, "liebling klein", nur "hoppe hoppe reiter", und nur am tag, wenn's lustig ist, auf dem roten sofa von marie, meiner omarie, die hat den opapa, der raucht zigarre. am radio ist ein grünes auge, er dreht ein wenig und es leuchtet. dann ist es weg. dann wieder da. ich lege den füller zur seite. ich wechsele die marie. ich zahle für die marie den kaffee. denn heute morgen bekommen wir einen, hier, wo wir gestern nicht bedient wurden. marie sagt mir adieu und kritzelt in mein buch. "der punkt karo war nett zu marie", steht jetzt da, und passt doch garnicht in dem text, nachdem opapa am grünern auge hofft, "tor...!, tor..! wir starren gebannt auf das radio.  omarie kocht schon das mittagessen und das fenster  zum garten steht offen. es ist ja mai, schon mai. "bis bald marie!", und marie im pelz verläßt mich schon. sie zeigt sich gehend noch einmal wendend und blickt mir auf die hand, die noch den füller hält, der dichtgehalten hatte. sie lächelt, schmollt und wieder lächelnd tanzt ihre hüfte aus der tür hinaus. "kling" macht die türglocke. "marie, ach, marie!". aber so ist es nun mal, mit meiner marie und meiner lieben omarie.


Mittwoch, 8. Januar 2014

85. fortsetzung "nirgendwo"


es wurde wieder laut und geschäftig. die kellnerinnen eilten zu den tischen zurück und warteten artig, bis die herrschaften sich erklärt hatten. keiner hatte mitgefühl mit ihnen, sie hätten es sicher abgestritten, wenn man sie gefragt hätte, ob die den raub mitbekommen hätten. nur an unseren tisch kam niemand. wir saßen hinter einer scheibe aus irgendetwas, da konnte ich hindurchgreifen. ich fühlte  noch nicht einmal, daß da etwas war, das uns abtrennte, unmöglich machte, so daß kein kuchen und keine getränke auf den tisch kamen, auf dem mein buch lag, noch immer aufgeschlagen und unbeschrieben, der füller immer noch in der tinte. "bin ich noch schwarz?" fragte ich sie und hätte gern ihren namen genannt. "ich heisse marie!". sie streckte mir die schmale hand hochkant entgegen und schob sie an den leeren seiten des buches vorbei über meinen handrücken hinweg. wir hatten uns verfehlt und sie prustete vor lachen, als sie in meinem ärmel landete. "es ist schön, so glücklich zu sein". "und du bist noch schwarz, schwarz wie die nacht mein freund, sieh mich an!". ich blickte in ihre tannengrünen smaragdaugen, ihre lippenstift brachte das mäulchen heraus, aus der unfassbaren schwarzen gegend. eine kohlenhalde, ein sammtanzug, eine seidene fläche, glitzernde messingknöpfe, klingende schellen am bein. "marie das ist wunderbar!". "ja das ist!, und nun, fliegen wir davon!. komm du federtier!". ich öffnete meinen tintenschwarzen schnabel und krähte. mein mantel flatterte im wind und neben mir spürte ich ihre schwingen. meine marie, meine rabenfrau, flog neben mir. wir flogen über den zugefrorenen see, wo die schlittschuhe noch kurvten und laut im eis scharrten. ein kindchen strauchelte und plumpste auf's eis. als es weinte, zeigte die frau, die es aufhob, zum himmel hinauf, zum hellen mond, um das kleine zu trösten. da flogen zwei raben vorbei. marie und ich.  



Dienstag, 7. Januar 2014

84. fortsetzung "nirgendwo"


ein nikolaus betrat das cafe und sah sich um. er suchte aber nicht nach kindern, er hatte auch keine geschenke in sack, denn der war leer. er hatte es auf die emsigen kellnerinnen abgesehen. eine nach der anderen, lies er im sack verschwinden und jedesmal leckte er sich das maul. nun hatte er alle im sack und verschwand. da murrten erst die gäste, als sie alleingelassen keine bestellungen rufen konnten. mein liebchen, mit der ich mich verklumpen wollte, ja!, das hatte ich vor, sprang mit einem satz über die tische. ich nur noch die langen hinterläufe, dann war sie schon aus dem saal heraus und hieb im sprung mit der kralle nach nikolausens sack, der aufriss und nacheinander glitten die geraubten mädchen heraus. sie rappelten sich auf, wußten noch garnicht, was ihnen geschehen war, aber da sie nicht weit von ihrem arbeitsplatz entkommen waren, nahmen sie sich an der hand, trösteten sich gegenseitig, richteten ihre kleider und wagten sich zurück ins lokal. den nikolaus hatte sie verjagt und so kam sie schnurrend zurück an den tisch, mein liebchen.


Donnerstag, 2. Januar 2014

83. fortsetzung " nirgendwo"


"jetzt sind wir schwärzer als die afrikaner, und es geht nicht ab!". ich hatte meiner freundin im pelz mit dem finger die berührung erwidert, so unerwartet, wie sie es getan hatte, als ihr rosa finger in meiner hand die tinte verstrich. ich tastete ihr über die wangen und strich darüber, suchte unebenheit und pulver, fand aber sammtweiche haut. ich pustete über die fingerkuppen, aber es staubte nicht, es war echt. "nun sind wir verbunden, mein freund, durch deine tinte, mein herr,...", dieses mein herr klang  jetzt amüsiert, "...mein freund", wiederholte sie und klang zufrieden. mir gegenüber saß dieses wunderbare wesen im kostbarsten weißen pelz, den ich je zu gesicht bekommen hatte, hatte mich ertappt über meinen leeren buch erstarrt mit ausgelaufenem füller und hatte nichts besseres zu tuen, als sich mit der tinte zu beschmutzen. "nein", kicherte sie, "nein!, du glaubst doch nicht, daß wir deshalb schwarz sind, nein, wegen deiner vergeudeten tinte doch nicht!". "aber warum dann, liebste?". es wurde immer inniger zwischen uns. wir verbanden uns in einer eile, daß es mir auffiel und ich machte keine anstalten zu zaudern, nur wissen wollte ich doch, "warum sind wir so schwarz, daß wir nicht mehr auf diese erde passen, noch nie habe ich solche menschen gesehen".