Mittwoch, 30. Juli 2014

96. fortsetzung "nirgendwo"


ich hielt nach dem erdnussautomaten ausschau, an dem ich frau palmeri treffen sollte. das theater hatte sie geschickt mich abzuholen. der automat an der wand des wartesaales,  unter dem hohen dach des bahnhofs, war ein schrank und bot frischgeröstete erdnüsse. gerade war er wieder aufgestellt worden. ein tobender hatte ihn zu boden gerissen. nüsse lagen zerstreut, es herrschte aufregung.  frau palmeri hatte mich entdeckt und streckte mir die hand entgegen. "was ist denn hier los?", fragte ich. sie zögerte, wollte sich selbst noch beruhigen, suchte nach worten.  "als ich am schalter die nachricht für den zugschaffner hinterlassen wollte, er hat es ihnen ja ausgerichtet, wo wie wir uns treffen sollen, störte ein mann, redetet dazwischen, nur halbe sätze, zwischendurch unverständlich, begann zu weinen, bat immer wieder und wiederholte sich, "ich kann ihm nicht helfen" und auf nachfrage sagte er einen namen "gerhard".  da sah ich sofort gerdchen auf omaries schoß sitzen, sicher und behütet, weit weg, auf der anderen seite der welt. meinte er dasselbe kind oder fühlte ich falsch. war er der verzweifelte, der erfahren hatte, das sein gerdchen nun in die schule ging, eine zuckertüte im arm hielt und er nicht dabei sein konnte. frau palmeri hatte weitererzählt, aber ich schien nicht zugehört zu haben, denn sie meinte, mich wecken zu müssen, obwohl ich alles hörte und mir vorstellte. er hatte seine drei kleinen mädchen verabschiedet, er wollte seine eltern besuchen, hatte den zug zu früh verlassen, und verzweifelte jetzt, wollte gerdchen helfen und konnte es nicht. frau palmeri griff mich am arm, "soll ich weitererzählen?". "ja. entschuldigung!, ich dachte gerade an etwas, das mich sehr berührte". 









  frau palmeri hatte mich entdeckt 
und streckte mir die hand entgegen. 
"was ist denn hier los?", fragte ich

Samstag, 19. Juli 2014

95. fortsetzung " nirgendwo "


der zug hatte den tunnel verlassen. ich saß neben einer jungen frau, die dabei war brote an ihre drei mädchen zu verteilen, die brav gegenübersaßen. sie bot mir auch ein brot und ich nahm es dankbar an. ich hatte einen mordshunger und biss hinein. die mädchen schienen beeindruckt und bissen auch ab, als wollten sie mich nachäffen. wir lachten und es wurde eine fröhliche morgenstunde. draußen wurde allmählich tag und der zug hatte nur noch ein paar stunden zu fahren.


ich hatte einen mordshunger
 und biss hinein. 
die mädchen schienen beeindruckt 
und bissen auch ab

Donnerstag, 10. Juli 2014

94. fortsetzung "nirgendwo"


nichts in mir klang noch so wie punktkaro. ich hatte die fassung verloren und werde auch punktkaro verlieren. mein geständnis, das nur andeutete, reichte. er wird sich seinen reim darauf machen  und mir seinen namen entziehen, so daß ich keine rolle mehr spiele. aus mit dem theater. ende der tournee. längst hat er telegrafiert. die plakate sind abgehängt. die vorstellung fällt aus. der darsteller ist erkrankt. die direktion bedauert. ich hielt den kopf in den händen und hätte ihn verloren darin, wäre er mir vom hals abgegangen und hätte ich auf wunderbarere weise kopflos, dies auch noch mitbekommen. ich balancierte ihn schon auf einer hand, da schreckten mich schritte auf. ich hielt mir die hand vor die augen um nichts, garnichts zu sehen. ich wollte jetzt niemanden ansehen. sie stand nah bei mir. ihr maiglöckchenduft hüllte mich ein. ihre finger unter meinem kinn griffen und tasteten sich in die position, die nötig war, um meinen kopf aufzurichten. das garn der netzhandschuhe drückte sich in die weiche kuhle und blieb dort spürbar. eine scharfe grenze, einschneidend, zu ihrer verborgenen hand. es waren die gehäkelten fäden, denn ihre hand spürte ich nicht, die ausreichend deutlich machten, indem sie sich schärfer eingruben, ich solle den widerstand aufgeben und den kopf heben. das tat ich sehr langsam, weil ich so geführt wurde. sie bestimmte den grad des nachgebens.



.........ich solle den widerstand aufgeben
 und den kopf heben. 
das tat ich sehr langsam, weil ich so geführt wurde 




Sonntag, 6. Juli 2014

93. fortsetzung "nirgendwo"


die vorstellung, ich könnte wieder meine fassung verlieren, quälte mich die ganze fahrt. ich wollte mich nicht erinnern, um mir nicht einzugestehen, das ich der war, den ich um sich schlagen sah. ich habe es manchmal bei anderen gesehen, und war angewidert. dann redete ich mich heraus und hoffte trotzdem insgeheim, daß es überall geschehe, alltäglich und ich nur etwas gewöhnliches getan hatte, so wie die anderen. aber so war es nicht. im gegenteil. obwohl das gemeine über den bildschirm kam, teil des theaters war, fand es in meiner umgebung nur selten statt. ich bekam es kaum zu gesicht. so war ich allein das gemeine und deshalb geflohen. ich hatte mir auferlegt und es gelang mir, abstand zu nehmen, aber für den preis, einsam zu bleiben. so war ich der geduldige, der nicht mehr den zauberwald betrat, den ich mich ausgedacht hatte. ich danke dir, das du ihn mochtest und mit mir hingegangen bist. nun begegne ich dir nicht mehr und habe kaum noch ein bild von dir. aber ich weiß, das ich punktkaro bin, der nichts mehr will. die räder hämmerten mir im kopf, schrien in den weiten kurven. kein halt mehr. nur noch rasender zug, kein station mehr. tunnel. 



die räder hämmerten mir im kopf, schrien in den weiten kurven


Donnerstag, 3. Juli 2014

92. fortsetzung "nirgendwo"


ich sah meinen zauberwald weit entfernt leuchten und konnte ihn nicht mehr erreichen. was ich für ein fernes fenster hielt, ein nicht gelöschtes licht im zimmer, war der zauberwald, der plötzlich wieder auftauchte, dort in der ferne gaukelte, die zeit die ich mit dir ihm zauberwald lag, dort war sie gegenwärtig. warum rannte ich jetzt nicht, warum bohrte kein schmerz in mir und gab mir noch einmal etwas willen. nicht der zauberwald entfernte sich, er blieb an der stelle, wenn ich jetzt stehen blieb und schwebte vor mir her, wenn ich ihm folgte. als ich dich berühte sang er, klirrte,zitterte in allen ästen. die tassen standen auf wackelnden tischen, ich verschwand und tauchte wieder auf. wortlos fast, auch kleine scherze, aber lieb, nein, du warst lieb, ich hatte schon gelogen. doch du warst garnicht böse mit mir. hab ich dich damals schon so traurig gemacht? ja. "es gibt keinen zauberwald. ich gewährte dir garnichts. du solltest. ich wollte das du es tust. ich bin nicht unschuldig. ich schäme mich nicht. bin keine zarte im zauberwald aufs moos gelegt. nein. fass mich doch an". ja. ich hauchte dir ins ohr. du zitterst, du zerbrichst. "du zerbrichts". weiter. "warum weiter. ist doch blödsinn. du siehst mich doch garnicht mehr". ich hatte vergessen, wie sie aussah. irgendwann werde ich ankommen. es macht mir nichts aus. einen fuß noch, einen schritt. hoppla. kicherst du? "ich muss lachen, wenn du mich so ansiehst" ein hirngespinst. ich konnte wieder riechen. die straße wurde breiter und ich roch die tannen. es hatte geregnet. es gab keine ferne mehr. ich war da. und es war der eingang zur untergrundbahn, der zwischen den tannen herausleuchtete. ich stieg in den gerade eingefahrenen zug. da war ein platz und ich setzte mich. als die tür schloß, dachte ich an eine große schildkröte. es ruckte, die eisenräder quietschen. sicher sprühen sie funken, aber nur funken, wird schon nichts passieren. dann schlief ich ein.




"es gibt keinen zauberwald. ich gewährte dir garnichts. 
du solltest. ich wollte das du es tust. 
ich bin nicht unschuldig. ich schäme mich nicht. 
bin keine zarte im zauberwald aufs moos gelegt. nein. fass mich doch an"