Samstag, 28. Februar 2015

113. fortsetzung "nirgendwo"


ich war wachgeworden. die vögel zwitscherten. ich lag mit frau paff auf der hollywoodschaukel in der loggia. frau paff war mein ruhekissen gewesen, meinen kopf hatte sie auf ihrem schoss gestattet. sie machte noch keine anstalten aufzuwachen, sie schnarchte ganz sonor und gleichmäßig, beinahe hätte ich mich wieder hingelegt. auf dem tisch stand die leere flasche schnaps. eine papierlaterne, ein mond, grinste zu mir herunter und ich erinnerte mich, daß sie so goldgelb geleuchtet hatte, den ganzen abend. ich stand auf, frau paff murrte im schlaf. ich öffnet die tür zum hof und schloss sie gleich wieder. es stank, das schwein stank, es begann zu verfaulen. ich stupste frau paff an, doch sie wollte die augen nicht aufmachen. "frau paff, das schwein, es stinkt!". frau paff lies die beine von der schaukel und setzte sich auf, die augen noch geschlossen. sie öffnete sie, als sie antwortete. "das ist ja ...!", und brach ab. sie stand auf und kam an die tür, blickte auf das schwein am haken. "da ist nichts mehr zu machen, es muß weg, gleich, nicht auszuhalten!", sie hielt sich die nase zu. ich war nicht begeistert, nochmal anfassen zu müssen, aber wenn es da weiter hing, würde es von stunde zu stunde schlimmer, eine ratte war schon vorbeigehuscht und fliegen kamen vorsichtig, nippten, brummten, flogen unruhig auf, ich glaube jetzt sind es schon sieben, acht oder zehn. frau paff löste den flaschenzug und das schwein vom haken, sie lies es zu boden gleiten und ging ein seil holen. wir zogen das schwein durch den garten und kamen zum zaun. frau paff nahm die bretter beiseite, die dort an der bruchstelle eingesetzt waren und wir konnten durch. mit dem schwein im schlepptau zogen wir durch die morgenwiese, wo es der tau wusch und ich wünschte mir, es würde wieder anfangen zu quieken, eine auferstehung an einem so schönen morgen wäre nur gerecht. aber es geschah nicht. da hatten wir es schon über die wiese gezogen und tauchten in den wald ein, unter die tannen. "so hier begraben wir es, hier ist der boden locker", sagte frau paff. 


Freitag, 20. Februar 2015

112. fortsetzung " nirgendwo "


sie hatte die zigarette aufgeraucht und wollte wieder ins haus gehen, "moment!, warten sie..", "ja?". "könnte ich im zimmer des herrn utgeritten übernachten, ich weiß nicht, wo ich sonst unterkomme". sie schaute mich an, schätzte mich ab, betrachtete mich eindringlich von kopf bis fuß, jemanden, den sie eben erst kennengelernt, mit ihm geplaudert hatte, wollte sie noch einmal gründlich mustern, bevor sie ihn ins haus ließ. "ja, warum nicht", sagte sie, "der utgeritten wird's erdulden müssen, soll froh sein, daß ich alles aufhebe, könnte es auch verkaufen, die bücher, aber es wird sie etwas kosten, umsonst mache ich's nicht", sie rieb sich den daumen, "sie zahlen mir, was er mir schuldet und sie können sein zimmer haben, mit den büchern, ich glaube der utgeritten kommt nicht wieder!". "ich hatte doch deutlich nur nach einer übernachtung gefragt", dachte ich. "übernachten sie mal, dann werden wir schon sehen", gab sie bei, als hätte sie mich denken hören. "kommen sie rein!", sie ging vor mir her und hielt die türen auf, bis ich ihr gefolgt war, "hier ist das örtchen!", sagte sie, als wir im flur standen, "hier gleich" und öffnete kurzerhand die tür, das kleine oberlicht hatte ich schon von der strasse gesehen, weil darin ein vogelnest war. der flur ging zur treppe zum obergeschoß. "kommen sie mal, bevor wir hinaufgehen, kommen sie mal mit". sie ging an der treppe vorbei. "hier ist die küche, wenn sie sich was zubereiten wollen, sie können auch mit mir essen". die kueche war überraschend groß für das schmale reihenhaus. "kommen sie mal rein!"  ich war auf der schwelle stehengeblieben und hing mit dem blick am fenster der küche, durch das, das von der anschliessenden loggia gedämpfte licht fiel. "da gehts in den garten, in den hof. aber jetzt helfen sie mir erst mal", ich wandte meinen blick, sie zeigte zum boden,".. das schwein aus der küche zu tragen, das soll doch hier nicht liegenbleiben, so tot, das war knapp, sie hättens ja nicht gesehen, wenn ich da läge und das schwein an mir frisst!". das schwein lag auf dem steinboden der küche und war tot, das versicherte ich der frau, die immer noch fürchtete es würde wach. ich fragte sie jetzt nach ihrem namen, einfach so, nachdem ich das tote schwein da liegen sah, wollte ich doch wissen, wie ich sie anrede. da fiel mir wieder ein, daß ich selbst noch keinen namen hatte, aber da hatte frau paff sich schon vorgestellt, und ließ mir garkeine gelegenheit, mir einen namen auszudenken.  "packen sie an, wir schleppen es auf den hof". sie bückte sich gleich, um es an den vorderpfoten zu packen und sah von unten zu mir hoch, "nehmen sie es dahinten", ich packte die hinterpfoten. doch war ich nicht imstande es anzuheben. "so gehts nicht, kommen sie her" und überließ mir die eine vorderpfote. so  schleppten wir das schwein über die loggia hinaus in den hof. ich verschnaufte, doch sie war noch nicht fertig, "jetzt an den haken". der in der wand eingelassene haken, diente wohl zum schlachten, und ich begann an ihrer geschichte zu zweifeln, hier hat nicht zum ersten mal was gehangen.  über dem haken war ein flaschenzug. ich half ihr noch das schwein heraufzuziehen. da hing es nun. ich sah mich um. dem hof schloss sich ein garten an. darin stand ein einziger großer pflaumenbaum. frau paff zeigte auf den notdürftig geflickten zaun. "da ist es reingekommen,  letzten sommer, viele plaumen am baum, grosse süße, große gelbe, saftig!", sie leckte sich über die lippen, die frau paff. "hatten einen sturm, der sie vom baum geschmissen hat, da ist ein ast abgebrochen, ich lag ein paar tage flach und die pflaumen am boden rochen und gärten, das schwein brach durch den zaun, fraß sich den bauch voll, lag besoffen im hof. ich wollte es scheuchen, es wollte mich beissen, und schon war's im haus. den ganzen winter über, ich habs gefüttert bis gestern, da waren keine kartoffel mehr da, es jagte mich durchs haus, ich habe den spaten genommen und zugeschlagen!". sie ließ die zunge raushängen, spielte den erhängten, wie man's tut, erleichtert, daß man's geschafft hat, und hielt sich die hände an den kopf, ja so erleichtert war sie.frau paff prustete. "jetzt gönnen wir uns erst mal einen schluck!", sagte sie und deckte den tisch in der loggia.



aber jetzt helfen sie mir erst mal", 
ich wandte meinen blick, sie zeigte zum boden,
".. das schwein aus der küche zu tragen"

Donnerstag, 19. Februar 2015

111. fortsetzung " nirgendwo "


ich war es müde geworden, durch die tote stadt zu laufen. der namenlose, der ich noch war, die versuche mich zu erinnern hatten keinen keinen erfolg, ich  hatte sie  aufgegeben. der heimweg war schwierig, da ich mich nicht auskannte, die straßen waren mir fremd. die gaslaternen glühten schon spärlich. ich hatte die vage vorstellung, das ganz am ende des häuserzuges abzubiegen sei und das dann stück brachland käme, hinter dem das herrenhaus meiner vorfahren stand. ich fantasierte. als ich dahin kam, an die ecke und herumblickte, setzen sich doch nur die häuser fort und wollten kein ende zu nehmen. ich wußte nicht weiter. unwohl quälte ich mich an den verschlossenen türen vorbei.  noch endloser erschien diese straße, als die davor und sie begann, wie es schien, in der ferne wieder anzusteigen in eine weite kurve hinein, die wer weiß wohin führt, ans ende der stadt oder zu wieder anderen häusern, die sich kaum unterschieden, alle aus ziegeln, alle braunrot, alle ohne licht, tot und schrecklich still. das herrenhaus gab ich preis, es wird nicht mehr auftauchen, kein bequemer sessel, kein glas zum nippen, kein brennender kamin. plötzlich stand da eine frau auf dem wege vor der tür, nur noch ein paar schritte entfernt, hätte ich sie nicht noch bemerkt, hätte ich sie sicher angerempelt. sie sah zu mir rüber und grüßte, dachte wohl ich würde vorbeigehen. es schien sie nicht zu wundern, das ich ihr fremd war, hätte sie mich erkannt, würde sie nicht nur beäugt haben. nein, sie schien kein interesse zu haben, mich aufzuhalten. die frau war dick und trug ein kittelschürze über ihrem unterkleid, das hervorsah, keine strümpfe, pantoffeln. sie hatte sich eine zigarette angezündet und rauchte hastig, so, als hätte sie etwas erschreckt oder angestrengt. ich versäumte es mich vorzustellen, ich fragte direkt, ob es hier in der umgebung ein großes haus mit feldern gäbe, pferden und kutschen. sie dachte nach, was ich so deutete, das sie versuchte, mir den weg zu beschreiben und eben noch die wegmarken sortierte. so war es nicht. "nein", sagte sie, "hier nicht", nach einer pause, "kennen sie den herrn utgeritten, der sprach auch immer davon, von seinem schönen großen haus, er hat's verloren, war dann hier" sie sah mich nachdenklich an und schien einen verdacht zu haben, "hat der utgeriitten sie geschickt?". "wer?". "der utgeritten. kennen sie ihn nicht, den utgeritten?". "wer ist den utgeritten?". "der utgeritten, der schuldet mir die miete, schon ein paar jahre, verschwunden ist er, hat alles dagelassen, bücher, viele bücher, hat viel gelesen, der herr utgeritten, stehen alle noch oben, in seinem zimmer". 




sie hatte sich eine zigarette angezündet 
und rauchte hastig, so, als hätte sie etwas erschreckt oder angestrengt

Mittwoch, 18. Februar 2015

110. fortsetzung " nirgendwo "


der andere war gegangen, hatte sich nicht verabschiedet, weiß auch nicht wohin, vor mir auf der treppe war er nicht mehr aufgetaucht. ich bin heute schon viel gelaufen. wann war ich den losgegangen und wo kam ich her? "was für eine dumme frage, sieh doch, da unten bist du zuhause" flüsterte eine stimme in mir, die ich nicht kannte. "sei froh, daß du dich nicht erinnerts!". "ich erinnere mich nicht?, wer behauptet das?". "weißt du denn, wie du heißt?" "ja!, ich bin, der reihe nach, ein wesen, das...., zu dumm!,... seinen namen nicht mehr weiß?". also doch. ich wurde langsam müde, "seid still! ich muß noch ganz nach unten!" ich stütze mich auf die mauer und versuchte auf den beinen zu bleiben. "was wartet den dort unten?". "ich will jetzt gehen, seid ruhig!" ich hielt mir die hände vor die ohren. "wir wünschen dir alles gute, gute,..gute" vom echo das auf gute hallte, wurde mir noch unwohler. "ich kenne sie nicht, hört auf zu rufen, sie heißt so nicht!". "wie heißt sie denn?". ich fand keinen namen, wieder nicht. "mach dich heim!". es klang unhöflich, wie ein befehl. "ich gehe heim, wenn ich will! seid endlich still!". ich atmete tief durch. ich setzte mich auf die mauer und baumelt mit den beinen. sie waren weg, die stimmen. sonst war niemand da. "na, dann geh ich mal nach hause". ich schlenderte, hüpfte die treppen hinab, schlenderte wieder, dreht mich, tanzte und hüpfte noch eine treppe hinab. bald war ich unten und ging zielstrebig die straße entlang. die schmalen häuser wischten an mir vorbei. ich roch die ziegelsteine und sie rochen alle kalt. "wenn kein feuer gemacht wird, kann es auch nicht wärmen, und was kalt ist, riecht auch so, wie teerige lappen, wie der kahn, dort im kanal", dachte ich.


ich setzte mich auf die mauer und baumelt mit den beinen.
sie waren weg, 
die stimmen. 
sonst war niemand da. 
"na, dann geh ich mal nach hause"

Samstag, 14. Februar 2015

109. fortsetzung " nirgendwo "


er fiel plötzlich um. er fiel vom stapel der aufgeschichteten ziegelsteine, die im torbogen lagen. ich blickte zur unterstadt, betrachtete das abfallende gelände im abendlicht, gerade waren die laternen angegangen. ich war mit zwei begleitern unterwegs und hatte sie hierher geführt, "wir können auch hier runter gehen" sagte ich und ihnen war es recht. ich hatte die strassen im blick, die harmonika der kleinen häuser und reagierte nicht, als er abstürzte. die bewegung gefiel mir nicht, sie hatte etwas störendes, der mann fiel einfach aus dem gefüge, veränderte das bild, seine abwesenheit aber befreite auch, da wo er eben noch stand und den blick verstellte, kam nun der abend noch tröstender herauf, gerade ging noch ein licht an da unten, schien mir. mein anderer begleiter sah auch nur kurz hinunter, ohne zu helfen zu wollen. er schien verärgert, ich glaube es ärgerte ihn, das so etwas geschah, so etwas unerwartetes, was gab es da noch zu helfen. der dünne mann im stoffanzug, irgendetwas graues, tweed ohne muster, salz und pfeffer, fiel vom schlag getroffen nach unten und lag nicht erreichbar am grunde des steinhaufens. bevor ich wegsah, sah ich dem abgestürzten kurz ganze nahe, sein gesicht, seine augen, die plötzlich zu mir aufsahen, durch mich hindurch blickten, schwollen an, verformten sich blitzschnell, wurden riesig und eher dreieckig. ich sah in die augen einer libelle. das endgültige nahm ich hin und starrte gebannt auf die augen, lebende wasserkugeln, die leuchteten. dann verschwanden sie, wie fenster hinter vorhängen unter den lidern und blieben weg. da lag keiner der mich anstarrte. nun machte ich mich doch auf den weg hinab. als ich den abstieg geschafft hatte und mich auf dem platz befand, wo er liegen sollte, hockte er gespannt vor der wand, zögerte kaum und sprang mir entgegen, er sprang aber weiter und höher als ich erwarten konnte, er war über mich hinweggesprungen und dann nicht mehr da.




 der dünne mann im stoffanzug,
 irgendetwas graues, tweed ohne muster, salz und pfeffer, 
fiel vom schlag getroffen nach unten 
und lag nicht erreichbar am grunde des steinhaufens


Dienstag, 10. Februar 2015

108. fortsetzung " nirgendwo "


ich wußte nicht wo ich war. hier war ich, das konnte ich nicht leugnen, aber wo genau. von wo aus sah ich zu und was geschah eigentlich mit mir, der sich so sicher war, daß er nun ein baby war im arm der fremden, der wirtin. ein widerstreit entstand und mischte sich heftig ein. wäre ich doch nur in der furche geblieben, hätte ich doch nur im feld ausgeharrt, statt zu fliehen. war nicht alles auf einem guten wege. hatte ich nicht einen gönner und liebte ich nicht lana, die rhabarberin. nur weil ich einmal in omaries kötze geritten bin, beim schaukeln "hüh und hott" rief, kann es doch nicht sein das ich schon wieder geschrumpft bin, gleich gerdchen selbst geworden und gerade dort aus dem bett genommen und aus dem zimmer getragen, die kleine hinter der mutter her. "ein brüderchen, ein brüderchen, mein brüderchen!", die tür, keine schritte mehr. nun waren sie aus dem haus und ich fand mich nicht wieder, war immer noch da. "es ist wirklich besser, wenn du dich endlich da raushältst". mit klarer ansprache sagte das kleinkerl, den ich auf dem schrank entdeckte. er sprang runter und hüpfte im zimmer rum. "wo kommst du denn her?" rief ich und freute mich, konnte mich aber immer noch nicht sehen. "wo bin ich nur gelandet?", stöhnte ich. "kleinkerl, siehst du mich denn?, sag mir nur schnell wo ich bin, damit ich dir die hörner knuppeln kann, mein lieber!". "mal hüh, mal hott, so hörte ich dich singen, von omarie und gerdchen, da hab ich mir gesagt, nun wird es zeit, den alten wider mal zu zwingen!", er kicherte, "aufs gleis zurück wollte ich dir helfen, wie sagt man, auf die spur bringen. es hat dich aus der bahn geworfen. da hat mich der buchhalter geschickt, der gute, ich sollte dich suchen. ich hab dich gefunden und alles wird gut!". ich fuehlte mich, als er so sprach, wie einer, der von der heimat hört. ich dachte, ich errötete, "so undankbar", dem buchhalter geflohen, der mich stets freie wege gehen lies. mich nicht zwang, mir den maler nahe brachte. "ich kann mich nicht sehen, kleinkerl, dich sehe ich, das gerdchen sah ich, aber ich bin nicht da". kleinkerl kam mir nahe, das merkte ich und ich spürte den wind. da hatte er schon das tuch weggezogen. "da bist doch!" rief er und gab mir die hand. tatsächlich, da war ich wieder. 



"es ist wirklich besser, wenn du dich endlich da raushältst". 
mit klarer ansprache sagte das kleinkerl, den ich auf dem schrank entdeckte